Die Zeit der Helden ist vorbei

Übertriebene Gesten, krachlauter Elektro-Punk, hier eine Stummfilmparodie, dort Videofetzen vom Zweiten Weltkrieg, da Blitzlichtgewitter. Riesige Runen drehen sich, Ausatmer hallen übers Mikrofon, ein Koch trägt einen dampfenden Kessel auf die Bühne und erzählt unvermittelt einen Fetzen der Geschichte von den Nibelungen.
Selbst wer diese kennt, wundert sich über den Sinn mancher Versatzstücke. Das war nicht nur ein Koch zu viel, vielleicht waren es zu viele Köche. Jedenfalls wirkt Friedrich Hebbels Trauerspiel unter der Regie von Sebastian Baumgarten wie ein unausgegorener Brei aus spielerischen Ideen, die nicht konsequent umgesetzt wurden.
Die Inszenierung fragt nicht, wie die jahrhundertealten Versfragmente vom gehörnten Siegfried, Siegfrieds Tod und Kriemhilds Rache zum düsteren Nationalmythos der Deutschen werden konnten, obwohl sie europäische Themen von Burgundern zwischen Isen, Hunnen, Niederländern, Papst und Schweizern behandeln.
Stattdessen mutieren der Xanthener Superman (Sascha Göpel) zum deutschen Michel, der weitsichtige Hagen von Tronje (Rosa Enskat) zum Strippenzieher und König Etzel zum bösen Russen. Die Nibelungentreue, die sich aus Todfeindschaft und Blutrache zwischen Dynastien speist und zu Drogenrausch und Gemetzel führen muss, wird mit Naziklischee illustriert.
Frei nach Goethes Motto „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ bietet die Dresdner Inszenierung dennoch einige Anregungen. Da wären die stimmig kostümierten und herrlich ausgespielten Frauenrollen.
Sowohl Cathleen Baumann als Brunhild als auch Yohanna Schwertfeger als Kriemhild, fürs Emotionale zuständig, reizen die Gefühlstiefen und deren lenkende Kraft aus. Erhellend auch, den Nibelungenhort als goldenen Totenkopf zu projizieren. Oder die erschlafften, erstarrten Mitläufer final auf zipfelbemützte Zwerge zu schrumpfen.
Draufgehauen
Für das feinsinnige Dresdner Theaterpublikum und die Raumakustik des Schauspielhauses eignet sich die plakativ zugespitzte Hau-drauf-Methode nur bedingt, die Form der Groteske aber passt zur Stückintension.
Denn am Ende aller heroischen, ja todessehnsüchtigen Härten im Auftrag der Sippe lösen sich Schwarz-weiß-Grenzen auf zu unübersichtlicher Komplexität, gibt der neutrale Dietrich von Bern (Sascha Göpel) verängstigt zu, Feind und Freund nicht mehr zu erkennen. Schließlich stellt ein Bürgerchor klar: „Die Zeit der Helden ist vorbei.“  Una Giesecke

5., 15. und 26.11. sowie 30.12., jeweils 19 Uhr, Karten ab 11 Euro: Tel. 0351 4913555

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