Wenn Mama Crystal nimmt

Eine Tafel zeigt ein Ultraschallfoto eines sechsmonatigen Fötus, darunter steht: „Ich weiß nicht, wie alt ich bin. Mama geht nicht zum Arzt. Sie hat Angst, dass er merkt, dass sie täglich Crystal nimmt. Wenn sie das tut, bin ich ganz aufgeregt, daran habe ich mich aber gewöhnt. Manchmal kann sie nicht mehr, dann gehts mir sehr schlecht. Mama weint und streitet die ganze Zeit mit meinem Papa. Aber nimmt sie Crystal, ist sofort alles wieder gut.“ Im Rahmen der bundesweiten 7. Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien hat die Jugend- und Drogenberatungsstelle am Montag eine Ausstellung in Dresden eröffnet, die anonymisierte Beispiele aus ihrer täglichen Praxis zeigt.

Rund sechs Millionen Deutsche sind in Familien mit Suchtproblemen groß geworden. 2,65 Millionen Minderjährige wohnen aktuell bei ihren alkoholkranken Eltern. Hinzu kommen die bis zu 60 000 Kinder von Drogenabhängigen. Immer mehr Drogenbabys 2015 kamen rund 50 Schwangere, die legale oder illegale Drogen konsumierten, in die Dresdner Suchtberatungsstellen. Die Zahl der Kinder von solchen Müttern „steigt in Dresden rapide“, sagt Kristin Ferse, Suchtbeauftragte der Landeshauptstadt, „was entsprechende körperliche Schäden für die Neugeborenen nach sich zieht“.  In ihrer Eröffnungsrede betonte Dresdens Gleichstellungsbeauftragte Alexandra Stanislaw-Kemenah: „Diese Kinder sind aber auch extrem widerstandsfähig, haben viele Begabungen und Kompetenzen und können sich bei entsprechender Unterstützung zu gesunden, lebenstüchtigen Erwachsenen entwickeln.“ Die Ausstellungsmacher haben versucht, sich in die Welt dieser Kinder einzudenken: „Mit dieser Ausstellung wagen wir uns ein Stück hinein in die Welt der kindlichen Liebe.Sie leben in steter Erwartung der elterlichen Annahme. Dafür lieben sie beharrlich ihre Eltern, auf Gedeih und Verderb und um den Preis der immer wieder neuen Enttäuschung. Jede noch so dramatische Situation wird mitfühlend aufgesogen und das Gefühl des Andersseins ganz individuell ausgeglichen. Da ist der kleine Helfer, der kleine Clown, der kleine Trotzkopf, das Stille-Wasser-sind-tief-Kinddas verantwortliche Kind. Sie sind uns Erwachsenen ausgeliefertnd wir haben die Wahl: wegzuschauen oder zu handeln. Nichts mitbekommen zählt nicht mehr. Wer Augen hat und sieht, kann hinschauen. Darum diese Ausstellung.“       (Una Giesecke)

bis 13. März, Foyer der Dreikönigskirche, Hauptstraße, Mo. – Fr., 9 – 18, Sa., 10 – 18 Uhr, So., 11 – 16 Uhr, Eintritt

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