Parkeisenbahn Dresden entwickelt nach Missbrauchsfall ein Kinderschutzkonzept

Werbeplakat des Fördervereins der Dresdner Parkeisenbahn am Bahnhof Zoo im Großen Garten Foto: Una Giesecke

Rund 20 Exkursionen im Jahr, darunter Wanderungen, Wochenendausflüge bis hin zu mehrtägigen Fahrten zu befreundeten Mini-Eisenbahnen in Budapest, Stuttgart oder England – tolle Freizeitangebote unterbreitet der Förderverein der Dresdner Parkeisenbahn den rund 240 Kindern und Jugendlichen, die im Großen Garten Weichen stellen, Schranken bedienen oder schaffnern.

Nun fiel ein dunkler Schatten auf die Vereinsarbeit und die Mitarbeiter der Schlösserland Sachsen GmbH (SBG). Wie deren Chef Christian Striefler am Dienstag auf einer überfüllten Pressekonferenz mitteilte, hatte ihn bereits im Mai dieses Jahres der Vater eines 16-Jährigen von seiner Strafanzeige gegen ein langjähriges Vereinsmitglied in Kenntnis gesetzt. „Der geringfügig Beschäftigte wurde sofort vom Dienst suspendiert“, so Striefler.

Kurz darauf  starb der 38-jährige, der von Kind auf Parkeisenbahner gewesen war. Den Bahnhofsleiter Tilo H. kannten alle. Doch nur wenige der Trauergäste wussten, dass er den Freitod gewählt hatte. Dass der Verstorbene des mehrfachen Missbrauchs des Jungen über einen längeren Zeitraum, vermutlich  in den Schulungsräumen und auf Ausflügen, beschuldigt worden war, bevor der Junge ohne Angabe von Gründen aus dem Verein austrat und sich im April der Polizei anvertraute, erfuhren die 24 Jugendleiter auf einer Klausurtagung im Oktober, die meisten Eltern erst zum Elternabend am 8. Dezember, manche gar erst jetzt aus der Tagespresse.

So lange hatte es gebraucht „und wir sind immer noch in dem Prozess, anzuerkennen und nicht zu verleugnen, dass im Rahmen einer Arbeit, die dem Wohl der Kinder dient, ein Junge zu Schaden gekommen ist“, gesteht Jens Großmann vom Vorstand des Fördervereins. Er selbst habe als Minderjähriger bei der Parkeisenbahn mitgemacht. „Das ist eine prima Sache, man wird an die Technik herangeführt, lernt Verantwortung zu übernehmen und baut einen großen Freundeskreis auf.“

Freunde, Jugendleiter, bekannte Gesichter im Verein – ihnen vertrauen die Kinder. Sie wissen nicht, dass weit über 90 Prozent der Täter Männer aus dem engsten oder weiteren Familienumkreis sind. Das entgegengebrachte Vertrauen, die eigene Überlegenheit und die gegebenen Vereinsstrukturen hatte auch der Tatverdächtige offenbar ausgenutzt.

„Der heute 17-Jährige ist in Betreuung und in einem liebevollen Elternhaus gut gesichert, aber die Folgen werden ihn und seine Familie noch eine Weile beschäftigen“, sagt Heike Mann von der Fachstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen, dem Verein Shukura. Den hatte Christian Striefler in Reaktion auf den erschütternden Fall gebeten, ein Kinderschutzkonzept für die Parkeisenbahn entwickeln zu helfen. „Ich habe selbst einen 17-jährigen Sohn und war genauso bestürzt wie die meisten Eltern“, sagt der Geschäftsführer, der so etwas nie wieder erleben will. „Der Junge hat sich gewünscht, dass sich endlich was verbessert“, setzt Großmann hinzu. Wenn auch langsam, ist seither einiges hinter den Kulissen in Bewegung geraten.

Es gibt jetzt ein Anmeldesystem für die Vereinsräume. Die auch vom Täter unterschriebene Selbstverpflichtung hingegen, anvertraute Minderjährige vor Schaden zu bewahren, habe laut Striefler lediglich Appellcharakter. Daher gelte es nun, statt Papier für den Schrank zu produzieren, die Parkeisenbahn zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen, so Heike Mann. Schwachstellen für Grenzverletzungen zu finden, ein praktikables Beschwerdeverfahren für die Kinder zu entwickeln und deren Schutz in eine von allen Beteiligten mitgetragene Unternehmenskultur einzubinden – dahin ist es ein weiter Weg, der wohl noch zwei Jahre in Anspruch nehmen wird.

„So etwas dauert, es gibt immer noch Mitarbeiter, die es nicht wahrhaben wollen, auch ich selbst musste mich dem Thema erst mal annähern, darüber und über mich selbst nachdenken“, sagt Robert Böpple, Leiter der Parkeisenbahn. Dass es lohnt, weiß Heike Mann aus anderen Einrichtungen, die Shukura begleitet hat, wo inzwischen auf angemessene Distanz geachtet und das Thema Gewalt reflektiert wird.

Aufgabe der Eltern sei und bleibe es, genau zu überprüfen, welche Einverständniserklärungen sie unterschreiben, fordert Jens Großmann vom Verein. Auch dem Nachwuchs zuzuhören, Risiken zu minimieren, im Gespräch zu bleiben, nachzufragen,wenn etwas nicht stimmt, da sieht Heike Mann Eltern in der Pflicht und erinnert zugleich an die Kinderrechte: auf den eigenen Körper, ob und wen sie küssen wollen oder nicht, sich Hilfe zu holen und schlechte Geheimnisse aufdecken zu dürfen.

 

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