Ein heiteres Stück Gesellschaftskritik

Moritz Gabriel spielt Student Benny, der für ein Jahr in die USA geht und sein WG-Zimmer an Geflüchtete vermieten will. (Foto: Hagen König)

Gutmensch oder Rassist? Frauenversteher oder Frauenfeind? Flüchtling oder Deutsch-Türke? Mit „Willkommen“ inszeniert Regisseur Tom Quaas ein heiteres Stück Gesellschaftskritik. Radebeul. Gutmensch zu sein, ist nicht schwer. Denkt sich auch Benny (Moritz Gabriel), bevor er für ein Jahr in die USA geht und seine WG verlassen will. Seinen Mitbewohnern schlägt er vor, sein Zimmer für diese Zeit an Geflüchtete zu vermieten. Er wäre ja ohnehin raus. Und man täte etwas Gutes, ist er sicher. Und er muss es wissen. Hat er doch in den vergangenen Monaten in Unterkünften für Flüchtlinge gearbeitet und deren Schicksale hautnah miterlebt. Also vermieten, ja. Seinen teuren Designer-Sessel aber, den möchte er doch lieber im Keller unterstellen oder seinem Mitbewohner Jonas (Holger Uwe Thews) ins Zimmer stellen, damit der nicht schmutzig wird. Jonas hingegen, der gerade in der Probezeit seiner Bankerkarriere steckt, will eigentlich nur seine Ruhe. Und Tischtennis spielen. Mit einem Rentner-Ehepaar in der WG würde es doch wenigstens nicht stressig werden. Doro (herrlich gespielt von Sophie Lüpfert) hingegen, die Älteste in der Wohngemeinschaft, möchte keine arabischen Männer in der Wohnung. „Ich möchte weiterhin im Bademantel durch die Wohnung laufen können, ohne auf Religion Rücksicht nehmen zu müssen“, keift sie. Einzig begeistert ist Sophie (Sandra Maria Huimann), eine eher erfolglose Fotografin auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Mit Geflüchteten in der WG könnte sie ein richtiges Fotoprojekt erarbeiten. Das wäre garantiert geeignet, für ihren großen Durchbruch. Und dann ist da auch noch Anna (Luca Lehnert), die sich in den vergangenen Monaten von einer Liebschaft zur anderen geschlafen hat, unter anderem sogar mit WG-Kollege Jonas. Jetzt aber ist aus der Affäre etwas festes geworden. Zumindest ein Seitensprung mit Nachwirkungen. Sie ist schwanger. Und während sie ihren Mitbewohnern noch ihre Zweifel kundtut, ob sie überhaupt schon bereit ist, Mutter zu werden und mit dem Vater zusammenzuleben, der ja auch das WG-Zimmer bekommen könnte, entbrennt in der Wohngemeinschaft ein herber Streit, der so manchen Konflikt offen legt. Als Anna dann auch noch den Vater ihres Ungeborenen in die WG einlädt, der als Deutsch-Türke (Felix Lydike) gegen Palästinenser hetzt und nicht versteht, warum er als Migrant in vierter Generation für die Flüchtlinge verzichten soll, ist nichts mehr so, wie es war.

Ein Stück Gesellschaftskritik

Regisseur Tom Quaas spielt mit unseren Vorurteilen. Mit unseren Hoffnungen, unserem Gutmenschentum und unseren Ängsten. Das aber tut er auf humorvolle Weise. Denn die Charaktere dieser Inszenierung sind allesamt irgendwie liebenswert. Ob Benny, der mit Sophie Schluss gemacht hat, als er erkannte, dass er eigentlich auf Männer steht. Oder Doro, die auf hart tut aber gleich zur Stelle ist, als Anna weinend aus dem Wohnzimmer läuft. Oder auch Anna, die leise, männerverschlingende Schöne, die sich von ihren Mitbewohnern immer irgendwie klein gemacht fühlt, im Laufe des Abends aber immer selbstbewusster ihre Rechte einfordert.

Quaas nutzt die Romanvorlage von Lutz Hübner und Sarah Nemitz und verengt die gesellschaftlichen Diskussionen, brandaktuell am Wochenende nach der Bundestagswahl, auf eine Wohngemeinschaft. Sie alle möchten gut sein, aber sie können es eben nur bis zu einem gewissen Punkt. Dann ist es vorbei mit der Toleranz, dann geht es ans Eingemachte. Und am Ende kommen alle, fast gemeinsam zu einer Lösung, mit der jeder irgendwie leben kann. Es wird der ganz große Konsens, um es jedem Recht zu machen und so erinnert das Ende dann auch irgendwie an die Große Koalition in Berlin, die niemandem weh tun wollte und dann doch dafür sorgte, dass die AfD in die Parlamente zog. Dass dann auch noch Musiker aus Syrien und Ägypten auf der Bühne musizieren, ist gut für die Stimmung, gleitet aber doch ein wenig zu sehr in „Wir haben uns alle lieb“-Kitsch ab.

Diskussionen werden folgen

„Willkommen“ ist ein spannender Blick in die deutsche Wohlfühlgesellschaft, in der es jedem doch nur darum geht, sich möglichst selbst am nächsten zu sein. Das Ende verklärt die Diskussion ein wenig, ohne aber dem Stück damit seine Wirkung zu nehmen. Er wolle Diskussionen anstoßen, sagte Quaas im Vorgespräch mit der DAWO!. Das schaffen er und ein tolles Ensemble in jedem Fall. Gespannt darf man sein, wie das Stück außerhalb eines meist wohlmeinenden Premieren-Publikums ankommen mag.

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„Willkommen“
Komödie von Lutz Hübner und Sarah Nemitz

Inszenierung Tom Quaas
Bühne Tom Böhm
Kostüme Irina Steiner
Musikalische Leitung Uwe Zimmermann

Darsteller:

Doro Sophie Lüpfert
Anna Luca Lehnert
Benny Moritz Gabriel
Jonas Holger Uwe Thews
Achmed Felix Lydike
Sophies Vater Matthias Henkel
Die weiteren Termine

(falls nicht anders angegeben ist die Spielstätte die Bühne in Radebeul): 

Sonntag, 12. November 2017, 19 Uhr
Sonntag, 19. November 2017, 19 Uhr
Donnerstag, 7. Dezember, 19.30 Uhr
Freitag, 2. Februar 2018, 19.30 Uhr, Theater Meißen*
Freitag, 2. März 2018, 20 Uhr
Donnerstag, 5. April 2018, 19.30 Uhr

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