Aus Hass wird Spaß gemacht

Anhänger von Dynamo Dresden auf der Tribüne. (Foto: Jens Wolf/Archiv)
Anhänger von Dynamo Dresden auf der Tribüne. (Foto: Jens Wolf/Archiv)

Dresden. Als Sebastian Ehlert und seine Freunde das Graffito auf das Futtersilo bei Kesselsdorf auftragen, haben sie keine Angst, von der Polizei erwischt zu werden. Das Ganze ist mit dem Besitzer des Silos abgesprochen. Dennoch sind die drei Männer nervös. Denn ihr Graffito provoziert eine ganz bestimmte Sorte Dynamo-Fans.

Im Sommer stehen die Bäume in voller Pracht und verdecken das Futtersilo auf der Autobahn 17, kurz vor dem Autobahnkreuz Dresden-West. Doch gerade jetzt, in der blätterlosen Winterzeit, ist der Schriftzug darauf gut zu sehen. „Hassfront Dynamo Dresden“ schreit es in großen Lettern von der grauen Wand. Doch das ist jetzt Vergangenheit.

Ehlert und seine Freunde haben den Schriftzug zu „Spassfront“ abgeändert. Die klare Botschaft: Sie wollen keinen Hass, keine Gewalt – sondern Sport und Fair Play.

Jeden Tag fährt Ehlert auf dem Weg zur Arbeit an dem Graffito vorbei. Dass er und alle anderen Autofahrer – Pendler wie Touristen – tagein, tagaus von dem Hass-Schriftzug begrüßt werden, wurmte ihn. Es ist kein gutes Bild, das damit auf Dresden geworfen wird, dachte er sich. Von einer Bekannten weiß er, dass die „Hassfront“ auch Gäste eines Hotels verschreckt. „Die Stadt hat einen Ruf zu verlieren.“ Dem möchten er und seine Freunde mit dem freundlicheren, einladenden Schriftzug entgegenwirken.

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Dass die Aktion tatsächlich ins Schwarze traf, so Ehlert, das habe er daran gemerkt, dass das fröhlichere Graffito andere gar nicht lustig fanden. Schnell war es wieder übermalt. Drei Mal ging es so schon hin und her. „Die Fangruppe ist noch aktiv“, schlussfolgert der Dresdner. Deshalb möchte er seinen echten Namen nicht nennen. Zu groß ist die Angst vor denjenigen, die einst den „Hassfront“-Schriftzug an die Wand pinselten. Er hat dabei die Razzien, die vor Kurzem bei Anhängern des Vereins durchgeführt wurden, im Hinterkopf.

„Das hat doch mit Sport nichts mehr zu tun“, begründet Ehlert, der selber Sportler ist, seine Aktion. Die Gewaltbereitschaft und die Kriegsrhetorik stören ihn. „Früher war ich auch im Stadion“, erzählt er, „ich weiß, wie es da abgeht.“ Er erinnert sich: „Selbst im Familienbereich kommt es vor, dass Väter, die neben ihrer kleinen Tochter sitzen, auf einmal aggressiv werden und losbrüllen.“

Immer wieder tauchen in Dresden und im Umland Graffiti auf, die Wut und Aggressivität ausdrücken oder zu Gewalt aufrufen. So wie im vergangenen Jahr, als Unbekannte in Radebeul „Gästefans aufs Maul“ an eine Wand schmierten. Wie viele solcher Graffitis jährlich zur Anzeige gebracht werden, dazu erhebt die Polizei nach eigenen Angaben keine Statistik. Es wird meist ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet.

Gewaltbereitschaft unter Fans empfindet Ehlert als Phänomen, das im Ostfußball stärker ausgeprägt ist als anderswo. Nach der Wende wurden die Menschen seiner Ansicht nach „in den Kapitalismus geschmissen“. Da habe „Dynamo Halt gegeben“ und somit für manch Frustrierten als Ventil gedient. Die Auswirkungen spüre man heute noch. Ehlert wünscht sich, dass der Verein mehr dagegen tun und vielleicht selbst auf die Idee kommen würde, solche Graffiti zu entfernen oder umzugestalten.

Dass sich Dynamo gegen Gewalt einsetzen will, hat der Verein unlängst in seinen neuen Leitsätzen noch einmal bekräftigt. Auf den konkreten „Hassfront“-Fall angesprochen, erklärt Geschäftsführer Michael Born: „Fußball macht auf jeden Fall ‚Spaß‘, ‚Hass‘ hat im Sport generell nichts verloren.“ Jedoch merkt Born an, dass der Verein keinerlei Einfluss auf Graffiti im öffentlichen Raum habe. Von Sachbeschädigungen, die mit den illegalen Werken einhergehen, distanzieren er und Dynamo sich aber entschieden.

 

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