Skandalumwitterte Sonderschau im Militärhistorischen Museum in Dresden

Trautes Heim? Ein Exponat zeigt ein gesticktes Gesicht mit bleuem Auge. Foto: Una Giesecke
Trautes Heim? Ein Exponat zeigt ein gesticktes Gesicht mit bleuem Auge. Foto: Una Giesecke

Es wird eng. Ins weitläufige Foyer des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden sind geschätzt 200 Menschen geströmt, Kameraleute mehrerer Sender sind gekommen, die Medien schauen am 26. April mal wieder nach Dresden. Denn Skandal liegt in der Luft über der Sonderausstellung „Gewalt und Geschlecht“. „Sie war im Vorfeld heftig umstritten“, begründet Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in seiner Ansprache, warum die eigentlich früher geplante Eröffnung verschoben werden musste. „Sie trifft in eine Genderdebatte, wo das Pendel über das Maß hinausschießt.“ Er persönlich finde das ein Stück weit übertrieben. Beifall. „Es sollte in die Normallage zurückkehren.“ Geraune, Buhrufe.

In der Sonderausstellung „Gewalt und Geschlecht. Männlicher Krieg – weiblicher Frieden?“ stellt sich der Gedächtnisort deutscher Militärtradition, das Museum der Bundeswehr in Dresden, selbst infrage.

Das Publikum ist ebenso kontrovers gemischt – von hochdekorierten Uniformen bis zu pfiffigen Hütchen auf querdenkenden Damenköpfen – wie die Schau selbst, Streit scheint programmiert. „Nichts ist langweiliger, als wenn alles klar ist“, meint Kretschmer. „In Museen sollten aktuelle Debatten zu schwierigen Themen stattfinden.“ Die Themen, illustriert von rund eintausend Exponaten, darunter Gemälde und Geräte, Waffen und Plakate, Fotografien und Tafeln, heißen beispielsweise: systematische Massenvergewaltigungen im Krieg; Herrschaft und Macht; Frauenpower und Selbstermächtigung. Aus einem Stickrahmen schaut ein Gesicht mit blauem Auge. Im Begleitprogramm geht es um Pornografie, Herrscherinnen und Amazonen.

„Zur Umsetzung dieses besonders anspruchsvollen und kontroversen Themas haben wir Expertisen eingeholt aus allen Bereichen der Gesellschaft, von renommierten WissenschaftlerInnen über Selbsthilfegruppen brasilianischer Favelas, feministische Rapperinnen, Filmhelden und Weltmeistern bis zu SoldatInnen der Bundeswehr und anderer Armeen“, sagt Kurator Dr. Gorch Pieken. „Erst diese Vielfalt der Stimmen und Perspektiven hilft uns, Antworten auf die Frage nach Gewalt und Geschlecht zu geben.“

„Männlicher Krieg – weiblicher Frieden?“ lautet der Untertitel der Sonderschau, die Stereotypen hinterfragt. Sie zeigt Geschlechterrollen und Machtgefälle in der Geschichte  – etwa wenn August der Starke seine kluge Mätresse Gräfin Cosel, geliebte Mutter seiner drei Kinder, lebenslänglich ins Gefängnis wegsperrt. Und führt den Faden weiter bis in die Gegenwart – das Messer, mit dem Marwa el-Sherbini in Dresden ermordet wurde.

Kontraste, Brüche und Irritationen verdeutlichen im Außengelände, an der Fassade, auf der Attika und im Erdgeschoss verschiedene Werke zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus sechs Nationen. Dieses Begleitprojekt „Targeted Interventions“ stimmt auf die Sonderausstellung ein, die gängige Erwartungen an den Gedächtnisort deutscher Militärtradition hinterfragt, weil es keine einfachen Gewissheiten mehr gibt.

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Olbrichtplatz 2, bis 30. Oktober täglich außer Mi. von 10 bis 18 Uhr, Mo., 18 bis 21 Uhr Eintritt frei, 01099 Dresden, Tel. 0351 8232803, https://mhmbw.de

 

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