Unbekannte Geschichten aus Dresdner Kunstdepots

Julius-Scholtz-Zimmer, Schloss Pillnitz, Bergpalais, Interimsquartier der Dresdner Gemäldegalerie, 1947. (Foto: Sächsische Landesbibliothek – Staats-und Universitätsbibliothek / Deutsche Fotothek)
Julius-Scholtz-Zimmer, Schloss Pillnitz, Bergpalais, Interimsquartier der Dresdner Gemäldegalerie, 1947. (Foto: Sächsische Landesbibliothek – Staats-und Universitätsbibliothek / Deutsche Fotothek)

Täuschend echt hängt sie gleich im ersten Ausstellungsraum: Raffaels Sixtinische Madonna. Dresdens berühmtestes Gemälde lässt sich zurzeit ohne Eintritt und jenseits der Touristenströme in aller Ruhe besichtigen – in einer Sonderschau der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) im Japanischen Palais. Es handelt sich um eine Kopie von 1913, die 1969 benutzt wurde, um den Mythos von der Rettung des Originals durch
die Rote Armee weiter zu untermauern. Daneben läuft der Spielfilm von 1961 „Fünf Tage – fünf Nächte“. Dessen Handlung sei „zwar frei erfunden – insbesondere in ihrem Kern, der Bergung der Dresdner Werke
durch die sowjetischen Trophäenbrigaden“, sagt Thomas Rudert, wissenschaftlicher Mitarbeiter der SKD. „Doch prägen die bildstarken Schlüsselszenen des Films das kollektive Bildgedächtnis nicht nur der RusT
sen, sondern auch sehr vieler Dresdner bis heute.“ Ein Archivfoto zeigt jenen Wagen im Demonstrationszug zum 20. Jahrestag der DDR 1969, auf dem neben der Sixtina-Kopie damalige SKD-Mitarbeiter standen.
„Es war ein bewusster Fake“, so Rudert. „Sie stellten nicht die tatsächlichen historischen Ereignisse dar, sondern eine der Sixtinischen Madonna gewidmete Schlüsselszene des Films nach.“

Noch so manches Aha-Erlebnis wartet unter den 81 spannenden oder kuriosen, tragischen oder witzigen „untold stories“, also unerzählten Erzählungen, eingereicht von 76 SKD-Beschäftigten aus 15 Teilsammlungen. Ihre sehr persönlichen Hintergrundinformationen zu bislang der Öffentlichkeit unbekannten Exponaten stehen auf handgeschriebenen Zetteln, sind per Kopfhörer zu erfahren und dem ausführlichen Begleitheft zu entnehmen. Unter den vorgestellten Objekten finden sich beispielsweise eine Erbse aus dem Depot des Volkskunstmuseums, die mit dem kompletten Vaterunser beschriftet ist, eine
vietnamesiche Porzellanvase aus dem Bestand des Kunstgewerbemuseums, die das Bild Erich Honeckers trägt, oder ein Container voller DDR-Kunst, den der Sammler Wolfgang Stemmer auf seiner australischen
Farm stehen hatte, bis er ihn dem hiesigen Kunstfond schenkte. Die Goblin-Figur illustriert der Film „Das Labyrinth“ in voller Länge. Zu einer historischen Monster-Nachricht dürfen Gäste ihre Vorstellungen
aufmalen, wie es wohl ausgesehen haben mag. Und im Innenhof lädt das Café „Zinnober“ zum Kaffeeschwatz ein. (Una Giesecke)

„Museum of untold stories“: bis
zum 26. August im Japanischen Palais
am Palaisplatz 11, tgl. außer Mo.
von 12 bis 20 Uhr und So. von 10
bis 18Uhr, www.skd.museum

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