Gymnasium Pieschen erlaubt Handy während der Schulzeit

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Das Gymnasium Pieschen in Dresden erlaubt die Nutzung des Handys zum digitalen Lernen. Damit will die Schule Vorreiter in Sachen digitales Lernen sein.

Auf den Treppenstufen im Foyer sitzen in der Pause ein Dutzend Jungen und Mädchen. Sie stecken die Köpfe zusammen, in der Hand halten die meisten ein Handy. Während an vielen Schulen das Telefon tabu ist, braucht am Gymnasium Pieschen in Dresden niemand sein Smartphone zu verstecken – im Gegenteil. Die Schüler bestellen damit per App ihr Essen, sprechen Sätze im Fremdsprachenunterricht ein, messen, rechnen und planen ihren Schulalltag. „Ziel muss sein, dass die Kinder einen reflektierten, kompetenten Umgang mit der Technik lernen. Verbote werden das nicht erreichen“, ist Schulleiterin Kerstin Ines Müller überzeugt.

Dresdens Gymnasium hat Vorreiterrolle als digitale Schule

Das Gymnasium ist eine von noch wenigen Pilotschulen in Sachsen und soll zeigen, wie digital Schule sein kann. Zu Beginn des neuen Schuljahres hat das Gymnasium den neuen Campus im Dresdner Stadtteil Pieschen bezogen. Bis zu 1200 Schüler können hier einmal lernen, derzeit sind es noch rund 360 Jungen und Mädchen in der fünften, sechsten und siebten Klasse.

Von Anfang an steht Medienbildung auf dem Stundenplan, ab Klasse acht gibt es ein vertieftes IT-Profil mit drei Stunden pro Woche. Geplant ist auch ein Informatik-Leistungskurs ab 2023 – einen solchen gibt es bisher nicht in Sachsen. Der Informatik-Unterricht findet teils auf Englisch statt. Man sei dazu mit Unternehmen wie T-Systems, SAP oder Infineon ständig im Gespräch, um abzustimmen, was sie von künftigen Absolventen erwarten, sagt Müller, die das Konzept selbst mitentwickelt hat. „Spätestens, wenn man mit den Unternehmen spricht, dann hört man den Ruf nach IT-Fachkräften ganz deutlich.“ Viele Kinder kommen aus dem Viertel, manche reisen aus Meißen, Radebeul oder Ottendorf an. „Wer diesen Schwerpunkt sucht, kommt dann auch zu uns“, so Müller.

Digitaler Lehrplan soll auf Arbeitswelt der Zukunft vorbereiten

Neben dem regulären Unterricht bereiten Ganztagsangebote wie Programmieren, Websiten erstellen und Robotik die Kinder auf die künftige Arbeitswelt vor. „Die Schüler von heute werden morgen auf eine ganz neue Arbeitswelt treffen“, so eine Sprecherin des Kultusministeriums. Kaum ein Beruf, der von der Digitalisierung nicht betroffen ist: „Die Tischler arbeiten mit computergesteuerten Holzsägen, ‎Landwirte erhalten per App Auskunft über die Milchproduktion jeder einzelnen Kuh und ‎Zahntechniker erschaffen Prothesen aus dem 3D-Drucker.“

Die Pieschener Schule ist das bisher erste Gymnasium im Freistaat, das sich auf Medienbildung, Informatik und digitale Technologien (M.I.T.) spezialisiert hat – und damit laut Kultusministerium „Vorreiter des digitalen Lernens“. Weitere sollen folgen: Neben dem Pieschener Gymnasium gehören zu dem Ende Juni in Dresden gegründeten Netzwerk mehrere Oberschulen in Dresden und Umgebung, Universitäten, verschiedene Schulträger und Freistaat. Weitere in Leipzig, Chemnitz und Mittweida sollen folgen. An rund einem Dutzend Pilotschulen soll das Thema Informatik und Digitalisierung vorangetrieben werden.

Nach Einschätzung von Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Branchenverbandes Silicon Saxony, ist Wissen über Internet und Informatik heutzutage essenziell wichtig. „Das ist wie Mathe, das sollte jeder in Grundzügen kennen.“ Dabei sollten Jugendliche möglichst zeitig an die Themen herangeführt werden. „Es muss nicht jeder nach dem Abitur in allen Sprachen programmieren können, aber es sollte ein Verständnis geben, was Software ist, wie ein Algorithmus funktioniert und wie Technik funktioniert.“

Matthes, der die siebte Klasse des Pieschener Gymnasiums besucht, findet es „richtig gut“, dass man in der Pause einfach mal auf dem Handy „datteln“ kann. An seiner vorigen Schule war das nicht erlaubt. Der 12-jährige Otto schlägt hingegen nachdenklichere Töne an: „Man sollte vielleicht ein paar Regeln einführen, dass man nicht die ganze Zeit am Handy sein darf. Das lenkt schon ein bisschen ab.“

Computer-Nerds sollen an ihrer Schule nicht herangezogen werden, betont Schulleiterin Müller. „Wir streben nicht an, dass die Kinder den ganzen Schultag auf den Bildschirm starren.“ Die Lehrer halten die Schüler zu Bewegung und Toben im Freien an, es gibt zahlreiche Sportangebote und Kurse zu gesunder Ernährung. Die Schule sei dabei, „ihren Weg“ zu finden, sagt Müller. Eines aber steht fest: „Zettelwirtschaft“, so die 50-jährige, gibt es bei ihr nicht. Ihr Ziel: eine papierfreie Schule. Statt Zettelchen am Schwarzen Brett, gibt es eine digitale Pinnwand, den Vertretungsplan gibt es ebenfalls online – so wie Zensuren oder Mitteilungen an die Eltern. In jedem Klassenraum gibt es eine interaktive Tafel oder einen Monitor.

Die Sensibilisierung der Lehrer für Digitalisierung ist wichtig

Die Schule arbeitet eng mit Sven Hofmann, Professor für Didaktik der Informatik der Universität Leipzig, zusammen. Er ist Koordinator des M.I.T.-Netzwerkes und will Schulen im Freistaat auf dem Weg zur Digitalisierung helfen. „Bei vielen Lehrern muss erst noch eine Hemmschwelle überwunden werden, in dem ‎man ihnen bewusst macht, was mit den Geräten alles möglich ist“, so Hofmann. Das digitale Medium sieht er nicht unbedingt als Ersatz für das klassische Lehrbuch, vielmehr als Ergänzung. „Manche Lehrer haben auch Sorgen, dass sie irgendwann nur noch im Unterricht sitzen ‎und die Geräte bedienen.“ Es gehe beim Thema Digitalisierung aber vielmehr darum, die Lehrer mit dem entsprechenden Wissen auszustatten, so Hofmann. ‎„Wichtig ist, dass die Lehrer mitziehen‎.“

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