Gelegenheitschirurgie gefährdet Menschenleben

Symbolfoto: Pixabay

Die Diagnose Krebs trifft die meisten Menschen völlig überraschend. Ist der Krebs da, folgt die Suche nach der geeigneten Therapie und einem Krankenhaus. Dabei empfiehlt die BARMER Sachsen, genau hinzuschauen und zu vergleichen.

Wie im aktuellen BARMER Krankenhausreport festgestellt wurde, liefern Kliniken mit hohen Fallzahlen mehr Qualität und Sicherheit für an Krebs erkrankte Patientinnen und Patienten. Die Komplikationsraten und die Zahl der Todesfälle nach Operationen sind in Kliniken, die über viel Erfahrung bei den jeweiligen Eingriffen verfügen, deutlich geringer. „Bei Operationen muss jedem klar sein: Umso mehr Erfahrung das Krankenhaus damit hat, desto mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten“, sagt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der BARMER Sachsen.

„Mit rund 26.000 Todesfällen jährlich ist Darmkrebs eine der häufigsten Krebsarten für den Menschen. Dabei ist die Erkrankung, sofern sie frühzeitig erkannt wird, sehr gut behandelbar. Ist die Diagnose Darmkrebs gesichert, gibt es – je nach Stadium und Sitz des Tumors – unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten“, sagt Prof. Dr. Ingolf Schiefke, Chefarzt Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie und Endokrinologie des Darmkrebszentrums am Klinikum St. Georg in Leipzig. Das zertifizierte Darmkrebszentrum am Klinikum St. Georg Leipzig bündele Erfahrungen und Kompetenzen der Fachbereiche Gastroenterologie, Chirurgie, Onkologie, Strahlentherapie, Radiologie und Pathologie auf diesem Gebiet, um eine optimale Versorgung der Patienten zu ermöglichen.

Operationen: Höhere Fallzahl vermeidet Todesfälle und Komplikationen

Der BARMER Krankenhausreport zeigt auf, dass sich vor allem bei Krebs-Operationen Erfahrung auszahlt. Ist die Fallzahl beispielsweise bei örtlichen Entfernungen von Darmkrebs-Tumoren doppelt so hoch wie der Durchschnitt, sinkt die 30-Tage-Sterblichkeit im Mittel von 4,4 auf 3,6 Prozent. Zudem verringert sich die Rate an spezifischen Komplikationen von durchschnittlich 16,6 Prozent um zwei Prozentpunkte auf 14,4.

Ähnlich sieht es bei komplexen chirurgischen Eingriffen im Fall von Bauchspeicheldrüsen-krebs aus. Ist die Fallzahl doppelt so hoch, sinkt die durchschnittliche Rate der 30-Tage-Sterblichkeit von 10,3 auf 8,4 Prozent. Der Anteil an Patienten mit allgemeinen Komplikationen verringert sich bei einer Verdopplung der Fallzahl von 52,2 Prozent auf 49,6 Prozent. „In Kliniken mit wenig Behandlungserfahrung ist die Gefahr, binnen 30 Tagen nach einer Darmkrebs- oder Bauchspeicheldrüsen-Operation zu sterben, deutlich höher. Zudem ist mit mehr Komplikationen zu rechnen“, sagt BARMER Landeschef Dr. Fabian Magerl.

Mindestmengen und hohe Prozess- und Strukturqualität

Planbare medizinische Leistungen sollte aus Sicht der BARMER stets da in Anspruch genommen werden, wo die zu erwartende Behandlungsqualität am höchsten ist. Vorgegebene Mindestmengen sind ein geeignetes Instrument, um Patientinnen und Patienten vor unnötigen Risiken zu schützen. Komplexe und somit ohnehin risikobehaftete Operationen würden dann nur noch in jenen Kliniken erbracht werden, die diese Mindest-Fallzahlen erfüllen und somit über ein ausreichendes Maß an Erfahrung verfügen.

„Dabei rettet allein eine höhere Fallzahl noch nicht automatisch Menschenleben. Wichtig ist auch eine hohe Prozess- und Strukturqualität. Eingriffe sind in der Regel dann sicherer, wenn Chirurgen und das interdisziplinäre Team mit der Patientenversorgung vor und nach der Operation viel Erfahrung haben“, betont Dr. Fabian Magerl und fordert bei komplizierten Operationen interdisziplinäre, berufsgruppenübergreifende Teams sowie eingespielte Abläufe vor und nach den jeweiligen Operationen.

Zertifizierte Krankenhäuser bieten Patienten mehr Sicherheit

Derlei eingespielte, interdisziplinäre Teams gibt es nach Angaben der BARMER in Sachsen ausreichend viele. Etwas längere Anfahrtswege seien kein Argument für eine Entscheidung, planbare Operationen bei Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht in einem der dafür zertifizierten Zentren machen zu lassen. Von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierte Darmkrebszentren gibt es im Freistaat 11 an der Zahl, zudem fünf Zentren, die auf chirurgische Eingriffe bei Bauchspeicheldrüsenkrebs spezialisiert sind. Hinzu kommen das Krebszentrum am Universitätsklinikum Dresden (UCC) in Dresden sowie das zertifizierte Onkologisches Zentrum des Universitätsklinikums Leipzig.

„Diese Zentren müssen jährlich nachweisen, dass sie die fachlichen Anforderungen für die Behandlung einer Tumorerkrankung erfüllen und zudem über ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem verfügen. Die Zertifizierung bietet Patientinnen und Patienten wichtige Orientierung bei deren Entscheidung für oder gegen ein Krankenhaus“, sagt Dr. Fabian Magerl. „So erfüllt beispielsweise ein Darmkrebszentrum die höchsten Anforderungen bei der Behandlung und Betreuung von Patienten mit Darmkrebs. Die Erstellung eines individuellen Behandlungsplanes in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit, wöchentliche Tumorkonferenzen, ein weitreichendes Behandlungsnetzwerk aus Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Sozial- und Pflegedienste, Psychoonkologen sowie Selbsthilfegruppen sorgen für die optimale Betreuung der Patienten“, sagt Prof. Dr. Ingolf Schiefke.

Denn Operationen bei Darmkrebs werden in Sachsen auch in 44 nicht DKG-zertifizierten Kliniken angeboten. Chirurgische Eingriffe bei Bauchspeicheldrüsenkrebs machen neben den Zentren noch mindestens 21 weitere Krankenhäuser, bei denen vor dem Hintergrund der Ergebnisse des BARMER Krankenhausreports fraglich ist, ob sie über die notwendige Erfahrung verfügen.

Kliniken mit viel Erfahrung fast immer binnen einer Stunde erreichbar

Der Krankenhausreport hat fünf Indikationen exemplarisch untersucht. Dazu gehören auch chirurgische Eingriffe bei Darm- und Pankreaskrebs, weiterhin die bariatrische Chirurgie, Operationen an der Wirbelsäule sowie Eingriffe bei Bauchaortenaneurysmen. Um die Ergebnisse der Datenanalyse vergleichbar zu machen, wurden stets dieselben Analyseparameter zugrunde gelegt. Dazu gehören die 30-Tage- Sterblichkeit, Wiedereinweisungsraten und Komplikationen.

Darüber hinaus wurde der Anfahrtsweg zu den Kliniken ausgewertet. Den Reportergebnissen zufolge erreicht die große Mehrheit der Bevölkerung ein Krankenhaus mit einer hohen Fallzahl innerhalb von 60 Minuten. „Um bessere Qualität bei planbaren Operationen zu erzielen, lohnt sich ein etwas längerer Anfahrtsweg. Vor allem bei komplizierten Eingriffen sollten hohe Fallzahlen und Spezialisten Teams bei der Auswahl gewichtiger sein als die unmittelbare Wohnortnähe“, so Magerl.

Wettbewerb um Qualität statt Gelegenheitschirurgie

„Natürlich stehen Krankenhäuser auch untereinander im Wettbewerb“, ist sich Dr. Fabian Magerl bewusst. In diesem Wettbewerb jedoch müsse der Fokus aber vielmehr auf das Thema Qualität gelegt werden. „Wir brauchen bei Operationen einen Masterplan für mehr Wettbewerb um Qualität! Eingriffe sind in der Regel sicherer, wenn Chirurgen und das interdisziplinäre Team mit der Patientenversorgung vor und nach der Operation viel Erfahrung haben“, fordert Magerl. Nur so könne ein Höchstmaß an Patientensicherheit gewährleistet sein.

Zudem fordert die BARMER bessere Möglichkeiten für Patienten, sich umfänglich über Sachsens Krankenhäuser informieren zu können. Das Krankenhausregister Sachsen in seiner jetzigen Form sei dazu nicht geeignet, weil sich nicht aller der Sächsischen Kliniken daran beteiligen. Auch fehle es bei den bisherigen Übersichten an laienverständlicher Aufbereitung der Qualitätsergebnisse.  Ein Register könne Patienten erst dann umfassende Orientierung bieten, wenn es vollständig, verständlich und öffentlich abrufbar ist.

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