Stippvisite in der Wildvogelauffangstation in Kaditz

Wildvogelauffangstation
Ronja Fulsche (24), Leiterin der Station, mit einem ihrer Schützlinge, dem Neuntöter "Compo" Fotos: Pönisch

Hier werden vom Spatz bis zum Rotmilan verletzte und kranke Wildvögel aufgepäppelt und danach wieder in die Freiheit entlassen. Und „Spezialisiten“ bekommen einen Namen.

Erna Wilhelm ist eine Wiederholungstäterin. Denn die etwa sechsjährige Graugans, die jetzt nur noch Erna gerufen wird, war schon einmal hier. Das war 2017, doch damals war nicht sofort klar, ob sie eine Erna oder ein Wilhelm ist. Daher der Doppelname. Damals war Erna sehr jung, sehr schwach und irgendwie wasserscheu, was nicht gerade gut ist für ein Leben als Wildgans. Doch sie wurde erfolgreich fit gemacht für ein Leben in Freiheit und ausgewildert. Dass sie nun wieder da ist, hat Erna einer Fußverletzung zu verdanken. Immerhin: Humpelnd, aber durchaus zufrieden, hat sie die ihr offenbar noch bekannte Pflegestation als neues Quartier auf Zeit angenommen.

Rund 1.000 Tiere pro Jahr, die viel Pflege brauchen

Natürlich haben nicht alle Vögel, die in der Wildvogelauffangstation auf der Scharfenberger Straße 152 in Kaditz landen, einen Namen. Das wäre bei rund 1.000 Patienten pro Jahr vom kleinsten Spatz bis zum großen Kolkraben auch zu viel des Guten. „Namen bekommen bei uns nur die Spezialisten“, lacht Ronja Fulsche. Die 24-jährige Tierpflegerin leitet die Station seit Oktober letzten Jahres. „Spezialisten“ seien in diesem Falle „alle Vögel mit Charakter“, sagt sie. Wie der kleine Neuntöter, der „Compsognathus“ gerufen wird, aber natürlich kein Saurier ist. Oder Graugans Nummer zwei, die auf den Namen Spino hört, abgeleitet von Spinosaurus. Oder die zehn Turmfalken, die alle nach Gewürzen benannt sind – was ihnen im übrigen ziemlich egal scheint, denn sie sind ja keine handzahmen Kuscheltiere und sollen es auch nicht werden.

Wer die erste Nacht überlebt, hat gute Chancen

Wer hier in der Auffangstation eingeliefert wird, steht meist auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. „Als Jungtier aus dem Nest gefallen, gegen Glasscheiben geflogen, mit Windrädern kollidiert oder Katzenopfer geworden“, zählt Ronja Fulsche die Unfallursachen auf. Geheilt werden müssen dann Bisswunden, Flügel- und Beinbrüche und bei manchen Vögeln auch „nur“ Gehirnerschütterungen. „Wer die erste Nacht übersteht, hat gute Chancen auf Heilung“, weiß die 24-Jährige.

Je nach Art der Verletzung können manche Vögel schon am nächsten Tag in die Freiheit flattern, andere verbringen viele Monate hier. „Zwei Drittel unserer Patienten können wir aufpäppeln und auswildern, ein Drittel schafft es nicht“, so Ronja Fulsche. Vor allem bei den Katzenopfern sei die Zahl der Todesfälle sehr hoch. „60 bis 70 Prozent der Vögel, die von Katzen angegriffen worden, schaffen es nicht.“
Derzeit leben rund 100 Tiere in den 17 Volieren und jetzt im Sommer kommen täglich neue dazu. Schließlich ist Jungtierzeit und so manch geflügelter Nachwuchs beginnt den Start in sein Vogelleben erstmal bei den Tierpflegern in Kaditz.

15 Jahre, viele Helfer, wenig Geld

Die Wildvogelauffangstation begeht in diesem Jahr ihr 15-jähriges Bestehen. Seit 2007 betreibt das Umweltzentrum Dresden diese „Notaufnahme“, die längst bekannt und sehr gut frequentiert ist. So gut, dass die Mitarbeitenden selbst auf Hilfe angewiesen sind. Denn Leiterin Ronja Fulsche hat nur noch eine weitere Vollzeit- sowie eine Teilzeit-Mitarbeitende an ihrer Seite.

Unterstützung erhält sie zwar von derzeit sechs fleißigen Ehrenamtlern und bis Ende August kann sie auch noch auf ihre drei FÖJler zählen. „Aber das reicht echt nicht aus, wir bräuchten dringend zwei weitere Vollzeitstellen – am besten für ausgebildete Tierpfleger. Aber dafür fehlt uns das Geld.“ Von den rund 85.000 Euro, die die Auffangstation jährlich benötigt, trägt das Umweltzentrum rund die Hälfte, der restliche Betrag muss durch Spenden eingeworben werden. Spenden, die möglichst regelmäßig fließen, eben um Planungs- und Finanzierungssicherheit zu bekommen.

Die Mäusebussarde, Enten und Turmfalken, die Eulen, den Kolkraben, den Rotmilan und die vielen kleinen Piepser interessieren solche Interna natürlich nicht. Sie sind glücklich über regelmäßiges (Lebend)Futter und ärztliche Betreuung. Und manche Vögel sind so anhänglich, dass sie nach ihrer Auswilderung einfach in der Nähe bleiben. Oder wie Graugans Erna, die zwar unfreiwillig, aber scheinbar gern wiederkam und schnatternd ihr Gehege begrüßte.
Carola Pönisch

Wer die Wildvogelauffangstation Dresden unterstützen will: Spenden an Umweltzentrum
Dresden, IBAN: DE68 8505 0300 3120 1358 00, Verwendungszweck Spende Wildvogelstation Dresden

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