Dresdner Friedhöfe lassen Gräber sprechen

Fridedhöfe Unvergessen Henry Berndt
Lara Schink und Henry Berndt haben das Projekt "Unvergessen" gestartet. Foto: Friedhofsverwaltung

„Unvergessen“ ist auf vielen Grabsteinen zu lesen, doch wer auf Friedhöfen spazieren geht, der
erfährt über die dort beigesetzten Menschen in der Regel nur ihre Namen und ihre Lebensdaten.
Dabei haben zahlreiche Persönlichkeiten, die auf Dresdner Friedhöfen ihre letzte Ruhe gefunden
haben, spannende Lebensgeschichten zu erzählen.

Ein in Sachsen bislang einzigartiges Projekt will an diesen Gedanken anknüpfen und Gräber zum
Sprechen bringen. Umgesetzt wird diese Idee mithilfe von QR-Codes, die an den Grabstätten
angebracht werden. Mit einem Handy gescannt, führen sie zu einem Videointerview mit
Nachfahren der Verstorbenen sowie Texten, Bildern und einer kunsthistorischen Einordnung
des Grabmals.

„Unvergessen – Dresdner Persönlichkeiten und wo sie begraben liegen“ lautet der Titel der
Initiative, die die Friedhofsverwalterin Lara Schink und der Journalist Henry Berndt aus der
Taufe gehoben haben. “Das Projekt soll einen Beitrag zur Erinnerungskultur und Konservierung
von Stadtteilgeschichte in Dresden leisten”, sagt Lara Schink, die Verwalterin der Dresdner
Annenfriedhöfe. “Auf Friedhöfen begegnen Leben und Tod einander auf besondere Weise.
Glücklicherweise gibt es noch Nachfahren Dresdner Persönlichkeiten, die eine Verbindung zu
den Menschen und Grabstellen pflegen.” Geplant ist, die Texte und Bilder später auch in einem
Buch zusammenzufassen.

Bislang wurden im Rahmen des durch die Stadtbezirksämter in Plauen und Cotta geförderten
Projektes fünf Gräber zum Sprechen gebracht, vier auf dem Alten Annenfriedhof und eins auf
dem Neuen Annenfriedhof. Unter anderem erfahren Friedhofsbesucher etwas über den
Psychiater Paul Näcke, ein Freund von Karl May, über Paul Büttner, den musikalischen
Volkserzieher und letzten großen Sinfoniker, über Alfred Neugebauer, den Retter des
Davidsterns von der Dresdner Synagoge oder den Maler Julius Schnorr von Carolsfeld, der über
die Jahrhunderte hinweg unser Bild von Gott als altem Mann mit Rauschebart und weißem
Gewand prägte.

“Hinter jedem dieser Namen stecken berührende, spannende und manchmal skurrile
Lebensgeschichten”, sagt Henry Berndt, hauptberuflich Redakteur bei der Sächsischen Zeitung.
Um das Projekt auf anderen Dresdner Friedhöfen fortsetzen zu können, sind die Initiatoren nun
auf Spenden und Sponsoren sowie fachliche Unterstützung, beispielsweise von
Geschichtswissenschaftlern und Vereinen, angewiesen. “Sehr gern können sich auch weitere
Nachfahren von Familien melden, die Dresdens Stadtgeschichte geprägt haben und von denen
ein Grab auf einem Dresdner Friedhof existiert”, sagt Lara Schink. Warum? Weil keine Zeit zu verlieren ist: Die meisten der Nachfahren berühmter Persönlichkeiten sind schon über 80 Jahre alt. Bald könnten ihre Erinnerungen und damit die Geschichten ihrer Ahnen verloren gehen, wenn sie nicht rechtzeitig festgehalten werden.

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