Dynamo historisch: Klassenkampf bei Flutlicht auf grünem Rasen

Dynamo 1973 Europapokal
Sepp Maier, der deutsche Nationalkeeper im Tor der Bayern, bekam in Dresden mehr zu tun als erwartet. Foto: privat

Vor 50 Jahren gab es in Dresden und München das erste Duell zweier Fußball-Vereinsmannschaften aus der BRD und der DDR. Am 24. Oktober 1973 kommt es im Achtelfinale des Fußball-Europapokals das erste Mal seit dem Mauerbau zu einem direkten Duell zwischen den beiden deutschen Staaten auf der internationalen Fußballbühne. Und nicht nur das: Es stehen sich auch mit Bayern München und Dynamo Dresden zwei deutsche Meister gegenüber.

Keine Frage, das war damals die beste Inszenierung für den sportlichen Klassenkampf. Ein Fest für die westdeutschen Medien, ein Fest für die ostdeutsche Propaganda: der glamouröse westdeutsche Fußballclub mit seinen Weltstars Beckenbauer, Müller, Maier und Hoeneß gegen den Volkspolizei-Verein, der seit seinem Wiederaufstieg 1969 die DDR-Oberliga mehr und mehr dominiert hat. Hier also wurde nun der „wahre“ deutsche Meister ermittelt.

Der FC Bayern ging aufgrund seiner prominenten Besetzung als klarer Favorit ins Hinspiel, das im erst ein reichliches Jahr zuvor eröffneten Olympiastadion ausgetragen wurde. Doch Überraschung: Die Dynamos erwiesen sich alles andere als Kanonenfutter für Beckenbauer& Co. Sie zwangen den FC Bayern mit ihrem Pressing häufig zu frühen Ballverlusten und erzielten schon nach 13 Minuten das erste Tor durch Rainer Sachse. Zwar schlug die Heimelf mit zwei Treffern binnen neun Minuten zurück, doch Sachse und Gerd Heidler erzielten den 2:3-Pausenstand. Weil Dynamo im letzten Spielabschnitt dem hohen Tempo aus der ersten Halbzeit Tribut zollen musste, schafften die Bayern durch Roth und Gerd Müller letztlich doch noch einen knappen 4:3-Sieg.

Dynamo 1973 Europapokal
Reinhard Häfners (li.) Tor zum 3:2 reichte letztendlich nicht fürs Weiterkommen im Europapokal. Foto: privat

Im Rückspiel zwei Wochen später, am 7. November 1973, fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, hätte im ausverkauften Dynamo-Stadion den Dresdnern ein Sieg mit einem Tor Vorsprung bei maximal zwei Gegentoren zum Weiterkommen genügt. Doch vor 36.000 Zuschauern – nur 8.000 Tickets gab es im freien Verkauf – kam es erstmal anders: Uli Hoeneß sorgte mit zwei Toren, jeweils nach gewonnenem Sprintduell gegen Eduard Geyer, für den frühen 0:2-Rückstand. Aber Dynamo kam zurück. Siegmar Wätzlich verkürzte noch vor der Pause und Hartmut Schade sowie Reinhard Häfner brachten die Dynamos in Führung. Das hätte den Einzug in die nächste Runde bedeutet, wenn dieses 3:2 bis zum Schlusspfiff gehalten hätte. Doch der unvermeidliche Gerd Müller erwies sich erneut als Spielverderber, indem er wie schon im Hinspiel abermals den Endstand in seiner unnachahmlichen Art über die Torlinie stocherte. Das 3:3-Unentschieden bedeutete für Dynamo Dresden das Aus im Europapokal.

Es ist viel über die politische Komponenten dieser beiden Spiele im Herbst 1973 geschrieben worden. Über die Arroganz und Paranoia der Bayern bei den Begegnungen mit dem „Zonenklub“, aber auch über die Versuche des Ministeriums für Staatssicherheit, mögliche Nebengeräusche mittels einer groß angelegten Operation mit dem Titel „Aktion Vorstoß“ zu unterbinden. Die Aktion sollte alles verhindern, was der Sicherheit und dem Ansehen der DDR gefährlich werden könnte. Hunderte Mitarbeiter waren im Einsatz, kontrollierten Spieler, Betreuer und Fans, überwachten Post und Kartenverkauf für das Rückspiel in Dresden. In der Mannschaft selbst sollten fünf Inoffizielle Mitarbeiter sicherstellen, dass die Sportler keinen Kontakt mit Bürgern oder gar Journalisten aus der BRD haben. Vor allem aber sollten sie eine Flucht der Sportler mit allen Mitteln verhindern.

Dabei gerät ein wenig in den Hintergrund, dass sich die beiden deutschen Meister eine der aufregendsten Auseinandersetzungen der Europapokalgeschichte lieferten. Beide Spiele gehören wohl zu den spannendsten und qualitativ hochwertigsten der EC-Historie. Insgesamt sechs Gegentore in einer Europapokal-K.-o.-Runde sind für Bayern München ein hoher Wert, der seither nicht mehr übertroffen wurde – und der höchste, mit dem der FC Bayern dennoch in die nächste Runde einzog. Für Dynamo Dresden war der Vergleich mit den Bayern durch die 13 gefallenen Treffer das torreichste Europapokal-Duell der Vereinsgeschichte – knapp vor dem Viertelfinale im Europapokal der Pokalsieger 1985/86, das Bayer Uerdingen insgesamt mit 7:5 für sich entschied. Doch das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte. EKG

Vereinsmannschaften aus der BRD und der DDR.

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