Um die geplante autofreie „Woche des guten Lebens“ in der Neustadt entbrennen hitzige Debatten.
Es ist ein Experiment. Entwickelt von Dresdner Bürgern im Rahmen der Bewerbung zur Zukunftsstadt. 20-19 bekam Dresden den Zuschlag, seither werden acht Pilotprojekte vom Bundesforschungsministerium, TU und Leibnizinstitut bis 2030 als „Reallabore“ gefördert und wissenschaftlich begleitet, um Antworten auf Zukunftsfragen zu finden. Um Perspektiven für die Mobilitätsentwicklung soll es vom 30. August bis 6. September in der Äußeren Neustadt gehen, wenn das Ausgehviertel innerhalb von Bischofsweg, Königsbrücker, Bautzner und Prießnitzstraße für Autos und Motorräder gesperrt und der Straßenraum den Anwohnern überlassen wird.
Am Mittwoch luden die beiden hauptamtlichen Organisatorinnen den Gewerbeverein zur Informationsveranstaltung ein. Rund 50 Gäste saßen im Publikum und taten neben einigen Befürwortungen vor allem Skepsis kund: Wie sollen die tägliche Nahversorgung, An- und Auslieferung für die Läden und Paketzustellung gewährleistet werden? Warum nicht in den Sommerferien? Warum das komplette Gebiet? Wer trägt die Umsatzverluste? Wer kontrolliert die Einhaltung? „Und warum ausgerechnet wir als Versuchskaninchen?“, wurde der Gegenwind zwischenzeitlich so lautstark, dass um Einhaltung der Diskussionskultur gebeten werden musste.
Fragt uns bitteschön
Koordinatorin Sindy Berndt betonte, alle Fragen in den laufenden Entwicklungsprozess mitzunehmen, „um das Spannungsfeld aufzulösen“. Es solle doch eine Woche des guten Lebens für sämtliche Beteiligten werden. Die Neustädter müssten bitteschön gefragt werden, ob sie das überhaupt wollen, kommt die Forderung aus dem Publikum. Der anwesende Reporter, dessen Presseorgan regelmäßig Online-Umfragen veranstaltet, macht sich eine Notiz. In der bundesweiten Beachtung witterte einer der Anwesenden die Chance, das Image des Szeneviertels außerhalb von Chaos und Straßenbahnstreichlern aufzupolieren. Damit es keine zweite Bunte-Republik-Riesenfete werde, sondern ein Alltagsexperiment, so Berndt, sei diese Zeitspanne gewählt. Für den Lieferverkehr, Pflegedienste und Mobilitätseingeschränkte, Privatstellplätze, Halt zum Be- und Entladen, Taxis, Reinigungsfahrzeuge, Straßenbahn seien Sondergenehmigungen vorgesehen. Ob das Ordnungsamt am Ende zu allem sein Okay gibt, sei noch offen.
Blick übern Tellerrand
In Hamburg, wirft jemand ein, seien solche Versuche an Zivilklagen gescheitert. In Berlin, ergänzt die Nächste, hätte man ähnliche autofreie Zonen wegen der des Nächte durchfeiernden Partyvolks wieder aufgehoben. Bedenken über Bedenken. Ein Dritter meint, solche Zonen seien anderswo bereits gelebte Realität und erinnert daran, dass Gewerbetreibende im Sanierungsgebiet Ablösegebühren für Stellplätze zahlen mussten. „Sollte das Geld nicht in die Schaffung von Ersatzflächen fließen?“ Es klingt fast wie „I want my money back.“ Denn wohin mit den Blechmassen?
Eines der erklärten Ziele ist also schon erreicht: Der Diskurs um Mobilität gewinnt an Hitze und Fahrt. Die ehrenamtliche AG Verkehrskonzept hat alle Hände voll zu tun mit der Planung von schlüssigem Parkraumkonzept, Ausnahmeregeln und Zufahrtsbeschränkungen. (UG)
www.wochedesgutenlebens.de
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