Es gibt unzählige Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen. Eine davon heißt Historische Darstellung und Live-Rollenspiel und meint damit zum Beispiel Menschen, die ihre Wochenenden auf Mittelaltermärkten verbringen. Nicht als Besucher, sondern als Ritter. So wie Lukas Schmid, der ein echter Mittelalter-Fan ist.
In gewisser Weise ist Lukas ein Zeitreisender. Wenn er seine Gewandung anzieht und die Rüstung anlegt, dann macht er Zeitsprünge. Dann wird aus Lukas, dem Medienkaufmann, Lukas der Ritter. Dann befindet sich der 24-Jährige nicht mehr im 21. Jahrhundert, sondern reist zurück ins 8. und 14. Jahrhundert – je nachdem ob er Schaukämpfe oder historisches Fechten absolviert. Auf jeden Fall nimmt er sich eine Auszeit aus der Jetztzeit, aber Zeit zum Ausruhen hat er nicht. Ganz im Gegenteil: Lukas‘ Hobby ist ein körperlich durchaus anstrengendes und mitunter ziemlich schweißtreibendes, denn wie die alten Ritter früher kennen auch die Neuzeit-Ritter keine Funktionsunterwäsche mit Cool-Funktion. Mit anderen Worten: Wer heute zum Ritter wird, stülpt sich kein Kostüm über. Er „lebt“ Verwandlung und Zeitreise mit allen Sinnen. Ohne Handy, Armbanduhr und anderen technischen Schnickschnack.
LARP, Convention und Spielleiter
Um zu verstehen, warum Uniprofessoren, Doktoranden, Lehrer, Ingenieure, Verkäuferinnen, Krankenschwestern oder eben Medienkaufleute zu Rittern, Söldnern, Magiern, Hexen, Monstern, Elfen, Zwergen oder sonstigen Fantasywesen werden, muss man sich mit dem Thema LARP befassen. Live Action Role Playing (Liverollenspiele) sind eine Form des Improvisationstheaters, ausgeführt von Laien, die einen Spielercharakter in einer vorgegebenen Geschichte verkörpern. „Die ersten LARPS kamen um 1990 auf.
Mittlerweile gibt eine aktive Szene von rund 150.000 LARPern mit 500 bis 600 öffentlich ausgeschriebenen Veranstaltungen pro Jahr“, schätzt Lukas Schmid. Wichtig außerdem: Wenn irgendwo ein LARP stattfindet, dann nicht für Zuschauer zugänglich wie ein Mittelaltermarkt. Denn dann treffen sich die LARPer zur Convention (LARP Con) und treten jene eingangs beschriebene Zeitreise an – egal ob sie zu Rittern werden wie Lukas, sich in einer Welt nach Oscar Wilde oder gar in der Post-Apokalyptischen Zukunft wiederfinden. Auf jeden Fall müssen sie Rätsel lösen, Artefakte finden, Feinde bezwingen, Freunde retten oder irgendeine andere Aufgabe erledigen. Das Orga-Team legt das Regelsystem oder den Spielkodex fest, innerhalb dessen Grenzen sich alle Spielhandlungen bewegen. Spielleiter ziehen im Hintergrund die Fäden für das zeitlich begrenzte mittelalterliche Treiben zwischen Gut und Böse. Merke: Auch bei den alten (neuen) Rittern geht es auf dem „Schlachtfeld“ geordnet zu.
Eine der größten LARP Cons findet in Nienburg an der Weser im Rittergut Brokeloh statt. Beim Conquest of Mythodea schlagen bis zu 9.000 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern hier jedes Jahr für mehrere Tage ihre Zelte, Lager, Burgen und Marktstände auf.
Wie wird man eigentlich zum Ritter?
Die spannende Frage ist: Warum schlüpft ein junger Mann wie Lukas Schmid, geboren in München, aufgewachsen im oberbayrischen Baiern und ausgebildet in Magdeburg, regelmäßig in eine Ritterrüstung? „Ich habe in einer Freien Schule nach Waldorfprinzip gelernt, wir waren viel unterwegs und jedes Jahr gab es ein zehntägiges Geländespiel. So in der Art der Pfadfinder. Das hat erst mein Interesse an Natur und Survival geweckt, dann das an der Mittelalterzeit“, erzählt er.
Seit Sommer lebt und arbeitet der 24-Jährige in Dresden, sein Herz schlägt aber immer noch für seinen Verein in Magdeburg. Der heißt „Widukinds Wächter“, hat um die 70 Mitglieder. Hier wurde sein Interesse am Kampf mit dem blanken Schwert geweckt. Mehrmals im Jahr nimmt er nun dort also Schwert und Helm zur Hand und wird zum Ritter. Als solcher zeigt er sich auch gern bei Schaukämpfen auf Mittelaltermärkten, wo er auch seine Künste im historischen Fechten aufführen kann.
„Der schönste Markt ist natürlich der in Maxlrain“, sagt er, „aber auch das große Dresdner Mittelalterfest hat einen guten Ruf.“ Bei den LARPs heißt das absolute Highlight natürlich Nienburg, aber eigentlich sind Lukas die kleinen Conventions mit bis zu 150 Spielern am liebsten. „Eigentlich gibt es jedes Wochenende irgendwo in Deutschland eine LARP Con oder ein Mittelalterfest, das ich besuchen könnte. Aber das würde ziemlich ins Geld gehen.“ Denn billig, das sollte man wissen, ist die Verwandlung in Ritter & Co. nicht. Gambeson (wattierte Unterkleidung), Kettenhemd, Schulterplatten, Helm, Panzerhandschuhe und Schwert – da kommt einiges zusammen.
Lukas‘ nächstes Ziel heißt übrigens Vereinsgründung. Im Januar soll es soweit sein, dann schlägt er in Dresden sein eigenes kleines Ritterlager auf. Will sein Wissen im Schwertkampf und Fechten weitergeben und neue Fans für das Fantasyspiel gewinnen – gern auch Frauen und vor allem junge Leute. Denn an kampfbegeistertem Ritternachwuchs ab Teenager-alter mangelt es irgendwie…
Doch erst einmal wird er seine Künste im Met-Brauen ausbauen, schließlich kann ein Ritter nicht nur kämpfen, sondern muss auch mal feiern auf seiner Zeitreise….
Es gibt unzählige Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen. Eine davon heißt LifeMenschen, die ihre Wochenenden auf Mittelaltermärkten verbringen. Nicht als Besucher, sondern als Ritter. So wie Lukas Schmid, der ein echter Mittelalter-Fan ist.
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