Rätsel lösen in der Puppentheatersammlung mit Frau Lotte

Puppentheatersammlung Dresden
Charakterköpfe in der Vitrine – noch provisorisch, bald professionell dargestellt. Fotos: Pönisch

Die Puppentheatersammlung Dresden ist ab 7. September im Kraftwerk Mitte zu finden. Die einmalige Schau wird dann endlich ein würdiges Domizil haben

Der erste Arbeitstag von Lotte ist nicht mehr lange hin. In vier Wochen und vier Tagen ist es soweit. Dann können Besucher unter Lottes Anleitung in der zweiten Etage der Sammlung, direkt unterm hohen Dach des einstigen Lichtwerks im Kraftwerk Mitte, eine Art Detektivspiel spielen. Sie werden sich Arbeitskittel anziehen, ein Klemmbrett zur Hand nehmen und dann losziehen, um die Geschichte einer (von zehn) Puppe zu erforschen. Wem gehörte sie einst? Welche Rolle spielte sie? Wie kam sie ins Archiv der Sammlung? Auf einem Datenblatt werden alle Infos notiert und kommt man mal nicht weiter, dann gibt Lotte Tipps. Sind alle Fragen beantwortet und alle sechs Forschungsabteilungen durchlaufen, dann geht für die Besucher die Tür auf ins Allerheiligste: ins Depot.

Wer nun meint, Lotte würde vor ihrer Premiere am 7. September noch zum Frisör gehen oder neue Kleidung brauchen, der irrt. Denn Frau Lotte ist nur eine digitale Mitarbeiterin der neuen Puppentheatersammlung, ausgedacht vom Büro Kossmanndejong in den Niederlande, das Konzepte und Designs für Museen entwickelt.

Einzigartige Sammlung, der eine Bühne, kein Museum geboten wird

Kasper, Ritter, Räuber, Rotkäppchen, Krokodil, die Oma, Dr. Faust: Rund 12.000 Marionetten und Handpuppen zählt die Puppentheatersammlung Dresden. Die ältesten sind weit über 200 Jahre alt. Dazu kommen noch unzählige Kulissen, ganze Bühnen, mehrere mechanische Welttheater des 19. Jahrhunderts, Bühnendekorationen, Requisiten, Puppenkleidung, Entwürfe, Plakate, Theaterzettel sowie ein umfangreiches Literaturarchiv und Puppenspieltexte. Mit über 100.000 Inventarnummern ist die Sammlung eine der größten und bedeutendsten ihrer Art weltweit, in Deutschland ist sie nach der Münchner Sammlung die Nummer zwei.

Die umfangreichen und zum Teil einmaligen Bestände der Dresdner Sammlung erzählen viel über die Kulturgeschichte ihrer Zeit – vor allem in Sachsen, wo Jahrhunderte lang reisende Marionettenspieler in Gasthöfen und Handpuppenspieler auf Jahrmärkten ihr Publikum begeisterten. Wobei sie damals nicht nur lustige und traurige Geschichten erzählten, sondern auch den neuesten Tratsch von Ort zu Ort trugen. Um 1900 reisten in Sachsen über 150 Bühnen umher. In den 1930er Jahren kam jede fünfte der Spitzenbühnen aus Sachsen. Kein Wunder, dass der Fundus dank Schenkungen und Nachlass heute so groß ist. Heute gibt es übrigens noch 80 private und fünf kommunale Ensembles in Sachsen.

All die Sammlungsobjekte haben Depotleiterin Ramona Münzer-Scadock und ihre Mitarbeiter in den letzten sechs Jahren in der Hand gehabt und für den großen Umzug von der Garnisionkirche ins Kraftwerk Mitte vorbereitet. Jedes einzelne Stück wurde beschriftet, in eine Datenbank eingepflegt und sorgfältig in säurefreie Pappkartons oder Kisten verpackt. Im März dieses Jahres schließlich begannen der Umzug und das Einräumen des Bestandes am neuen Standort. Bei der Gelegenheit konnte dort ein völlig neues Archivsystem aufgebaut werden mit einer „sehr effektiven Auffindbarkeit“, wie Dr. Kathi Loch, die Direktorin des Volkskunstmuseums mit der Puppentheatersammlung, verrät. „Ein Klick in der Datenbank genügt und wir wissen genau, in welchem Regal welcher Schatz liegt,“ freut sich Kathi Loch. Das erleichtere vor allem auch die Arbeit für Forschende aus der ganzen Welt, die nach Dresden kommen, weil sie sich für die einzigartigen Dokumente zur Puppentheatergeschichte interessieren. „Gerade haben wir eine Gastforscherin aus Japan bei uns.“

Elon Musk Puppentheatersammlung

Zwei Wege: Basisschau und Jahresausstellungen

Auch deshalb spricht Kathi Loch nicht vom neuen „Museum“, das Bilder an der Wand, Erklärtafeln und vollgestopfte Vitrinen vermuten ließe. Sie nennt die neue Heimstatt lieber „eine Bühne für die Sammlung“. Offiziell trägt es bereits den Beinamen „Haus der Charaktere“. Interaktiv und ausgerichtet auf alle Generationen. Für Liebhaber des Puppenspiels genauso wie für Menschen, die bisher keinen Zugang dazu hatten. Sie finden im sanierten Lichtwerk (das übrigens seinen Industriecharme behalten durfte) künftig eine Basisausstellung: Sechs Abteilungen präsentieren die „Basics“ des Puppentheaters: von den unterschiedlichen Animationstechniken über Bühnenformen bis hin zu den Geschichten, die auf und hinter der Bühne erzählt werden. Dazu wird künftig jedes Jahr Anfang September eine neue Jahresausstellung eröffnet. Den Anfang am 7. September macht Elon Musk, der als Marionette zwar an „Fäden“ hängt, aber von einem Computer gesteuert wird.

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