Am 29. Januar wird Dresdens neue Grünkohl-Majestät gekürt. Das Gemüse dafür kommt vom Gartenbaubetrieb Hauptmann
Dafür, dass er weltweit verbreitet ist und als eine der ersten Kohlsorten bereits vor vielen Jahrhunderten auf dem europäischen Kontinent bekannt war, hat der Grünkohl ziemlich lange gebraucht, bis er auch die ostdeutschen Herzen und Zungen begeistern konnte. Grünkohl mit Pinkel, das war hierzulande noch vor 20 Jahren ein weitgehend unbekanntes Gericht, von dem man höchstens wusste, dass es im Norden der Republik geliebt wird. Inzwischen gibt es ihn sogar auf dem Dresdner Striezelmarkt und siehe da: Er schmeckt!
Die Zeiten haben sich geändert. Das Wintergemüse mit den vielen Namen ist salon- und topffähig geworden. Die Spanier nennen ihn col crespa , die Franzosen chou frisé oder chou kale, in Ungarn heißt er fodros kel, in Italien cavolo riccio und bei den Niederländern ist es der boerenkool. Nur wir Deutschen haben gleich drei Bezeichnungen dafür: Grünkohl, Braunkohl oder Krauskohl. Und mittlerweile wächst das gesunde Kraut, das je nach Sorte bis zu 1,80 Meter hoch werden kann und daher auch „Winterpalme“ genannt wird, auch direkt vor unserer Nase. Zum Beispiel im Gartenbaubetrieb von Bernd und Jens Hauptmann in Dresden-Stetzsch.
Gegärtnert wird hier schon in fünfter Generation. Der Urgroßvater legte um 1899/1900 den Grundstein. Seit Jahresbeginn ist Jens Hauptmann (45) der Chef des Familienbetriebes. Doch mit dem Anbau von Grünkohl hat bereits sein Vater Bernd begonnen. „Das muss so um 1995 gewesen sein, genau weiß ich das nicht mehr“, erinnert sich der 67-Jährige. Damals hatte er mit 500 Pflanzen begonnen. Heute kommen jedes Jahr ab frühestens 10. August um die 6.000 in den Boden. „Je später man pflanzt, umso weniger Chancen hat nämlich die Kohlmottenschildlaus, ihre Eier auf dem Kraut abzulegen“, weiß der Seniorchef. Gegen den Schädling selbst, der wie eine kleine weiße Fliege aussieht, könne man nichts machen. „Den hat man im Kraut. Das ist so. Der wird gleich nach der Ernte abgespült und gut. Nur die Eier sind problematisch.“
Hier geht’s bunt zu
Im Hauptmann’schen Gartenbaubetrieb geht’s bunt zu. Neben Grünkohl wachsen hier lila und braune Paprika, rote Beete, schwarze Rettiche, orange Kürbisse, Rosenkohl, Sellerie, Salate, Gurken, Tomaten, Möhren und vieles mehr. Das ganze Gemüse verkauft die Familie erntefrisch jeden Freitag auf dem großen Sachsenmarkt an der Lingnerallee, aber auch über den Edeka-Großhandel C+C sowie bei Edeka Simmel. Im Frühjahr und Sommer verlassen zudem zigtausend Frühblüher und Sommerblumen die Gärtnerei vor allem in Richtung Berlin. Dort warten viele Großabnehmer auf Hauptmanns bunte Blütenpracht. „Sogar bis nach Wien haben wir schon geliefert“, sagt Bernd Hauptmann stolz.
Und eigentlich könnten sie auf ihrem 20 Hektar großen Nutzland noch viel mehr anbauen, denn die Nachfrage nach regionalen Produkten ist auf Märkten und in der hiesigen Gastronomie groß. Doch da stehen die Hauptmanns vor einem bekannten Problem: „Wir finden einfach nicht das nötige Personal und wir können auch nicht zu Discounter-Preisen produzieren.“
Überhaupt: Viele alteingesessene Gartenbaubetriebe finden längst keinen Unternehmensnachfolger mehr. Schwere körperliche Arbeit bei Wind und Wetter und bei veränderlichen klimatischen Bedingungen ist halt nicht jedermanns Sache. „Cossebaude war einst eine Hochburg im Gartenbau, hier gab es über 30 Gärtnereien“, sagt Bernd Hauptmann. „Heute sind es vielleicht noch zehn.“
Auch im Hilton ist Grünkohl beliebt
In wenigen Tagen gehen etliche Kisten mit knackfrischem Grünkohl nach Dresden ins Hotel Hilton. Denn dort gibt am 29. Januar die amtierende Grünkohlmajestät Carla Marschall (Direktorin der Dresden International School) ihre Krone ab und eine neue Grünkohlkönigin oder ein -könig wird gekrönt. Zu dieser Zeremonie werden wieder viele Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur erwartet und natürlich wird Grünkohl auf die Teller kommen. Und sogar im Dessert, in den Pralinen, soll ein Hauch dieses Gemüses stecken.
Das Grünkohlessen findet seit nunmehr 29 Jahren im Dresdner Hilton gemeinsam mit dem Presseclub Dresden statt und ist im Grund ein „netzwerkendes“ Essen, bei dem Anfang des Jahres Dresdner Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, der Medienbranche und der Kultur zusammenkommen, sich kennenlernen und austauschen.
Das Nobelhotel selbst wird in diesem Jahr 35 Jahre alt wird, eine Grünkohlmajestät wird zum 13. Mal gewählt. Die Idee des netzwerkenden Gemüse-Essens in Dresden entstand übrigens 1990 auf einem Wirtschaftsgipfel der Städte Hamburg und Dresden, wo die Weichen für die Städtepartnerschaft gestellt wurden. Die „Krone“ als Königin oder König trugen bisher Prof. Dr. Hermann Kokenge, Jan Vogler, Dr. Michael Hupe, Helma Orosz, Reiner Calmund, Prof. Dr. Georg Milbradt, Prof. Dr. Müller-Steinhagen, Wilfried Schulz, Professor Wolfgang Donsbach, Viola Klein, Kilian Forster und noch ein paar Tage lang Carla Marschall. Was die jeweilige Majestät eigentlich tun muss? „Sie soll in ihrem Wirkungsbereich Dresden voranbringen, für die Stadt werben und positive Signale senden“, sagt Sabine Mutschke, stellv. Vorstandsvorsitzende des Presseclubs Dresden.
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