
Gesellschafter Fritz Straub hat die Mehrheit seiner Anteile an die französische Unternehmensgruppe Ateliers De France verkauft. Mit einem großen Festakt wurde der 82-Jährige für seine Verdienste um die Traditionsfirma in Hellerau geehrt.
Einst waren sie sehr begehrt, die Schrankwände aus den Deutschen Werkstätten Hellerau. Wer zu DDR-Zeiten eine im Wohnzimmer stehen hatte, hat entweder sehr viel Glück beim Einkauf im Dresdner Möbelhaus Intecta gehabt oder sehr viele Monate darauf gewartet. Das Möbelprogramm Deutsche Werkstätten (MDW) war heiß begeht, das Systemmöbel aus Pressspanplatten wurde in der Fachwelt als kleine Wohnrevolution gefeiert. Wer heute bei ebay Kleinanzeigen sucht, wird sogar noch fündig: Die in Modulbauweise hergestellten Möbelteile sind offenbar immer noch begehrt.

Geschäftsführer verkauft Mehrheitsanteile
Für die Deutschen Werkstätten hat nun ein neues Kapitel in ihrer über 125-jährigen Geschichte begonnen: Nach mehr als drei Jahrzehnten an der Spitze verkaufte der geschäftsführende Gesellschafter Fritz Straub (82) die Mehrheit seiner Anteile an die französische Unternehmensgruppe Ateliers De France. Der 82-Jährige, der das DDR-Unternehmen 1992 von der Treuhand kaufte, bleibt den Deutschen Werkstätten als Minderheitsgesellschafter mit 25 Prozent erhalten. Das sei kein Zeichen von Misstrauen, „aber es gibt Entscheidungen, die kritisch werden könnten für das Unternehmen, und da möchte ich gefragt werden“, so der Unternehmer. Darüber hinaus bereitet er die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung vor, die sich künftig Themen wie politischer Bildung, europäischer Völkerverständigung und der Bewahrung des kulturellen Erbes Helleraus widmen wird. „Die Deutschen Werkstätten haben in ihrer langen Geschichte immer wieder gezeigt, dass Tradition und Erneuerung keine Gegensätze sind. Ich wünsche mir, dass die Werte und der Geist Helleraus bewahrt und weitergetragen werden“, betont Fritz Straub.
„Die Deutschen Werkstätten sind ein einzigartiges Beispiel dafür, wie aus Tradition Zukunft entsteht“, würdigte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bei einem Festakt Anfang September die Rolle des Unternehmens im Dresdner Norden.



Tradition mit Strahlkraft
Die Deutschen Werkstätten wurden 1898 von Karl Schmidt gegründet, damals unter dem Namen „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt und Engelbrecht“ mit Sitz in Laubegast. Es folgten Umzüge auf die Bärensteiner Straße 5 in Striesen und auf die Blasewitzer Straße 17 in Johannstadt, ehe 1909 der Grundstein für ein Fabrikgebäude in Hellerau und damit zugleich für die Gartenstadt Hellerau gelegt wurde. Schon ein Jahr später arbeiteten rund 450 Beschäftigt in den neuen Produktionshallen.
Da die Deutsche Werkstätten Hellerau AG Zulieferer der Rüstungsindustrie des Zweiten Weltkriegs war, wurde das Werk zur Reparationen herangezogen und kam unter staatliche Verwaltung. Die Aktiengesellschaft wurde 1946 aufgelöst, der Betrieb 1951 als Volkseigentum verstaatlicht und weitere 42 Jahre später von der Treuhand verkauft. Was sie in all den Jahren blieben: Eines der international führenden Unternehmen für handwerklich und technisch anspruchsvolle Projekte im individuellen Innenausbau. Nur um zwei Beispiele zu nennen: Hier wurden in Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft die spanlose Verformung von Lagenholz erfunden sowie eine Methode, um aus Sägemehl und Holzspäne gepresste Möbelplatten herzustellen. Damit war eben jenes Möbelprogramm Deutsche Werkstätten (MDW) geboren.
Unter Leitung von Fritz Straub wurde der Fokus auf den Innenausbau von Megayachten und Privatresidenzen gelegt, die Kunden waren vor allem russische Oligarchen. Doch deren Vermögen fiel bekanntlich mit dem Ukrainekrieg unter Sanktionen, der Markt war weggebrochen. Zwei Werften für Luxusyachten in Deutschland und den Niederlanden retteten die Dresdner mit zwei Großprojekten im Wert von 70 Millionen Euro vor der Insolvenz, dennoch mussten 80 der 424 Beschäftigten entlassen werden.
Mit Ateliers De France tritt nun ein Partner an die Seite des Unternehmens, der ebenfalls für handwerkliche Qualität, internationale Projektarbeit und die Bewahrung kulturellen Erbes steht. Die französische Unternehmensgruppe vereint renommierte Werkstätten in den Bereichen der Restaurierung historischer Denkmäler und des hochwertigen Innen- und Hochbaus und realisiert weltweit Projekte von außergewöhnlicher Komplexität.
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