Faust – wer denkt da nicht an Goethe. Auch der Komponist Ferruccio Busoni empfand Ehrfurcht vor dem Hauptwerk des deutschen Dichterfürsten – und wagte es dennoch, zum selben Thema sein eigenes Lebenswerk zu schreiben. Der Italiener nannte es „Doktor Faust“ nach jenem Puppenspiel, das schon Goethe als Vorlage gedient hatte und die er wiederum aufgriff. An Szenen, wie man sie aus dem Kaspertheater kennt, erinnert der Aufbau: zwei Vorspiele, ein Zwischenspiel, drei Hauptbilder. Busoni nannte „Dichtung für Musik“, was heute in jedem guten Opernführer verzeichnet ist und an der Semperoper jetzt wieder als große Oper über die Bühne geht.
Ihrem Schöpfer ging es wie seinem Titelhelden: In faustischer Übermenschlichkeit schrieb Busoni an sechs Tagen das Libretto und scheiterte schließlich faustisch nach sieben Jahren musikalischer Ausformulierung an der Vollendung des übermächtigen Stoffes. 1922 gab er auf, obwohl „nur noch“ die Helena-Arie und das Ende fehlten. „Er konnte die Musik nicht finden“, erzählt Dramaturgin Juliane Schunke. Zwei Jahre später starb Busoni.
Dennoch erlebte „Doktor Faust“ 1925 seine Uraufführung in Dresden unter Fritz Busch, in der Fassung seines Schülers Jarnach. Danach verschwand Busonis Opus Magnum für sechs Jahrzehnte von der Bühne, bis Antony Beaumont – der zur Premiere am 19. März in der Semperoper saß – Skizzen im Nachlass des Komponisten fand, mit deren Hilfe sich die „Oper, die keine Oper ist“ 1984 vollenden ließ. Seither wird die dreistündige Aufführung wieder gespielt, nach über 90 Jahren nun auch in Dresden.
Und was hier geboten wird, ist zu Fulminanz gereift. Nach so langer Zeit trifft Busonis neue Opernästhetik zudem auf ein verständnisbereiteres Publikum. Keine Angst, die Melodik wird trotz mancher Atonalität nie geopfert. Der Anspruch, „selbstständig sollte die Musik sein, wundersam der Inhalt und desillusionierend die Darstellung“, wird mit hohem personellen Aufwand in faszinierenden Bühnen-, Kostüm- und Videobildern umgesetzt. Fausts stetes Sich-neu-Erfinden durch alle Zeitläufte führt in der über dreistündigen, meist kurzweiligen Vorstellung vom Mittelalter bis in die Gegenwart und im Happy end darüber hinaus: Jenseits von Gut und Böse lebt die unsterbliche Sehnsucht nach Erneuerung weiter.
Fazit: ein Abend, der sein Geld wert ist, erst recht auf den billigen Plätzen. Denn von den Rängen aus hat man den besseren Überblick über das komplette Bühnengeschehen und muss sich nicht den Hals nach den denkwürdigen Übertiteln verrenken. Opernglas mitnehmen!
25.3., 19 Uhr, 20.4., 14 Uhr, 23.4. und 7.5., jeweils 18 Uhr, Karten ab 11 Euro: www.semperoper.de, Tel. 0351 4911705
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