Die Bewahrer von Augusts Prachtbau

Zwingerbauhütte
Ein Steinmetz der Zwingerbauhüttte bei der Arbeit an einer Kopie, die in der Werkstatt originalgetreu nachgestaltet wird. Foto: Siegfried-Michael Wagner

Im November 1924 wurde die Zwingerbauhütte zur Bewahrung des Dresdner Wahrzeichens gegründet. Inzwischen ist sie „Immaterielles Kulturerbe der UNESCO“.

Der Dresdner Zwinger ist wie der Kölner Dom: ein Jahrhunderte altes Bauwerk, bei dem der Zustand „fertig“ eigentlich nie eintritt. Weil es bei solchen historischen Monumentalbauten eben immer irgendwas zu reinigen, zu reparieren, zu sanieren oder zu ersetzen (kopieren) gibt.

Geschenk zum Geburtstag: Frischer Glockenspielpavillon

So wie zum Beispiel beim Glockenspielpavillon im Zwinger. Seit anderthalb Jahren ist er zur Straßenseite hin eingerüstet und wenn er in den kommenden Tagen endlich sein Gerüst verliert, dann werden sich aufmerksame Beobachter verwundert die Augen reiben ob der 24 hellen Sandsteinskulpturen auf dem Dach des Pavillons. Denn die lebensgroßen Figuren, wie überhaupt alle Teile aus Sandstein, wurden in den vergangenen Monaten aufwändig und von Hand per Bürste und heißem Dampf gereinigt und entsalzt. Dafür trugen die Fachleute der Zwingerbauhütte dem Sandstein Kompressen aus Zellulose aus. „Das kann man sich wie Brei vorstellen, den wir aufbringen“, erklärt Bauhütten-Chef Kai-Uwe Beger. Die Kompressen entziehen quasi dem Stein eingelagerte Salze, die dort nicht hingehören. Die 24 Skulpturen erhielten darüber hinaus noch einen speziellen Silikonüberzug, der sie in den nächsten Jahren vor allzu schneller Alterung und vor allem vor Umwelteinflüssen schützt. Außerdem wurde ein aus der Zeit von Pöppelmann stammendes, stark beschädigtes Kapitell (oberer Abschluss einer vier Meter hohen Säule) originalgetreu nachgefertigt.

Rund 600.000 Euro hat die Sanierung des straßenseitigen Teils des Glockenspielpavillons gekostet. „Die Hofseite bleibt vorerst im Zustand der Notsicherung“, sagt Kai-Uwe Beger. „Als nächstes werden wir den Deutschen Pavillon sowie die Sempergalerie einer Frischekur unterziehen.“

Warum die Zwingerbauhütte so wichtig ist

Nur wenige Meter von Dresdens Wahrzeichen entfernt hat seit 2002 die Zwingerbauhütte mit Restaurierungswerkstatt, Freiarbeitsplätzen, Magazinen, Archiv, Büros und Sozialräumen ihren Standort.
Als sie 1924 von Hubert Georg Ermisch gegründet wurde, lag vor ihm und seinem Team ein großer Berg Arbeit. Oder besser gesagt: ein Bauwerk, das seit seiner Entstehung zwar schon drei Restaurierungsphasen hinter sich hatte, bei denen aber auch viel falsch gemacht wurde. So verwendete man einst zum Beispiel Portlandzement, um Fehlstellen auszugleichen, oder Ölfirniss als Anstrich für Fassaden und Skulpturen.
Aber vor allem auch die Beschießung durch die Preußen 1760, die Revolution von 1849 und letztlich der Zahn der Zeit hatten verheerende Spuren am Zwinger hinterlassen.

Mit Bauhüttenchef Ermisch begann 1924 erstmals eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Schadensursachen im Zwinger und ein Umdenken im Umgang mit ungeeigneten Materialien. So entwickelte er damals die „Zwingerpaste“, mit der die Oberflächen gereinigt werden konnten, ohne Schaden auf dem Sandstein anzurichten. Und vor allem, mit deren Hilfe die schädliche Farbe abgebeizt werden konnte, denn einst war der Zwinger weiß gestrichen und hatte blaue Dächer.

Eine besondere Rolle kam Ermisch und seiner Zwingerbauhütte beim Wiederaufbau des 1945 zerstörten Bauwerks zu. Diese fünfte „Restaurierungsphase“ dauerte bis 1968, danach wurde die Sanierungswerkstatt aufgelöst und in die „Bauabteilung für kulturhistorische Bauten Dresden“ integriert. Hubert Georg Ermisch erlebte all das nicht mehr, er starb 1951.

1991 wurde die Zwingerbauhütte als Teil des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) wieder eingerichtet. Heute gehören zehn Experten – Architekten, Bauingenieuren, Restauratoren, Steinmetz- und Steinbildhauermeister sowie -gesellen – und drei Azubis zum Team. Handarbeit von höchster Präzision hat nach wie vor oberste Priorität. Aber auch neue digitale Wege werden beschritten. So wurden die Schäden am Glockenspielpavillon erstmals digital erfasst und in eine Datenbank eingepflegt. Diese Dokumentationen sind die Grundlage für die Arbeit der nächsten Handwerker-Generationen der Dresdner Zwingerbauhütte. Denn ohne liebevolle Pflege, so viel steht fest, wird Augusts Bauwerk nie auskommen.
Vor vier Jahren wurde die Zwingerbauhütte übrigens mit 17 weiteren Bauhütten aus fünf Ländern zum Immaterielles Kulturerbe der UNESCO ernannt.

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