
Die Kinderstraßenbahn Lottchen wird in rund einem Jahr 35. Warum dieses Jahr trotzdem ein 15. und ein 50. Geburtstag gefeiert werden
Lottchen kann ganz schön verwirren. Zum einen mit ihrem Namen, denn eigentlich ist sie aus dem -chen-Alter raus. Nächstes Jahr im Mai wird sie 35 Jahre alt und sollte längst Lotte heißen. Aber soweit wird es in Dresden nicht kommen.
Die Rede ist von der Kinderstraßenbahn Lottchen, erstmals in Dienst gestellt am 11. Mai 1991. Von Anfang an war sie ein echter Hingucker auf den Gleisen und sie ist bis heute nicht nur unter jungen Fahrgästen auch jenseits der Stadtgrenzen bekannt. Die geniale Idee zu »Lottchen« wird dem theater junge generation (tjg) und den Dresdner Verkehrsbetrieben zugeschrieben. Die erste Fahrzeugkomposition – ein Zug aus Gothaer Trieb- und Beiwagen –wurde sogar von Kindern bemalt. Die zweite gleichartige Garnitur (ebenfalls Baujahr 1957/60) hielt immerhin bis 2010 durch und hatte bis zum vergangenen Jahr einen Ehrenplatz im DDR-Museum Pirna. Inzwischen ist dieser Zug verschrottet.
Die Nachfolge trat ein Tatra-Triebwagen an. Und damit kommen in diesem Jahr zwei Lottchen-Jubiläen ins Spiel. Denn jener Tatrawagen, der heute bunt bemalt durch Dresden rollt, ging am 18. April 1975 – und damit vor genau 50 Jahren – mit der Betriebsnummer 222 510 in den Einsatz. Zunächst als „normaler“ Triebwagen im Liniendienst, ab Juni 1984 dann als Fahrschulwagen mit der Betriebsnummer 724 004, der irgendwann zur 201 204 wurde. Ein Fakt, der (nur) für Straßenbahnkenner und -fans von enormer Bedeutung ist…
Im Jahr 2010 jedenfalls wurde dieser Triebwagen das neue Lottchen. In jenem Jahr verabschiedeten sich die DVB von sehr vielen Tatrabahnen, nur ein kleiner Teil durfte noch bis 2023 weiterrollen. Und eigentlich drohte auch jenem Fahrschulwagen 201 204 die Stilllegung und möglicherweise Verschrottung, aber weil er erst zwei Jahre zuvor die große Hauptuntersuchung erfolgreich gemeistert hatte, durfte er am Leben bleiben.
Damit ist nun das zweite Jubiläum des Wagens 201 204 fällig: Am 15. April 2010, also vor bald 15 Jahren, rollte Lottchen Nummer 3 nach erneutem Umbau erstmals durch die Stadt, am 2. Juli wurde sie offiziell in Betrieb genommen.
Das besondere am aktuellen Lottchen ist ihre absolute Vielseitigkeit. Denn sie ist nicht nur Kinderstraßenbahn, sondern sie wird weiterhin als Fahrschulwagen genutzt (übrigens in dieser Rolle seit über 40 Jahren unfallfrei) und sie kann auch für Sonderfahrten und zum „Selberfahren für Jedermann“ gemietet werden. In so einem speziellen Fall sitzt dann stets ein Fahrlehrer neben dem „Selbstfahrer“, der dafür nicht einmal einen Personenbeförderungsschein benötigt, obwohl er bis zu zehn Personen mitnehmen kann auf seiner privaten Spritztour. Mit einem Lottchen, das eben mehr ist als eine bunte Bahn für kleine Kinder. Nämlich auch ein gemeinsames Projekt von DVB und Jugendamt Dresden.
Lottchen verdankt ihren Namen übrigens Erich Kästners Kinderbuch »Das doppelte Lottchen«. Kästner ist ein Sohn der Stadt und mit seinen Augen sollen die Kinder auf Entdeckung gehen. Ein Moderator erläutert während der Fahrt die Strecke und verrät viele Details zur Dresdner Geschichte. Auch prominente Gäste sind schon mit Lottchen auf Tour gewesen – der prominenteste und zugleich spektakulärste war ein lebendiger Zirkuselefant. Heute einfach undenkbar. Selbst für Hochzeitsfahrten kann die Bahn genutzt werden – zum Beispiel wenn sich Braut und Bräutigam als Kinder in der Bahn kennenlernten.
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