Wie ein Therapiehund in einem Pflegeheim Menschen zurück ins Leben begleitet

Therapiehund
Eine Patientin mit Therapiehund Benno. Foto: Alina Hanel

Vorsichtig stupst Benno, der mittelgroße Rüde mit den großen Pfoten und dem treuen Blick, die lethargisch im Bett liegende Bewohnerin mit seiner kalten Schnauze an. Seine langen Schlappohren, an denen die Haare wie Federn hängen, sind aufmerksam aufgestellt.

Die sonst so stille, ja mittlerweile fast stumme Frau spürt, dass ihre Kräfte sie verlassen. Die Muskeldystrophie hat Spuren hinterlassen – auch in ihrer zarten Seele. Regungslos liegt sie da, ihr leerer Blick auf die weiße Decke gerichtet. Ihre zunehmenden Bewegungseinschränkungen fordern ihren Lebenswillen täglich heraus. Immer mehr zieht sie sich zurück, spricht kaum noch. Dabei war Frau Hedwig – von allen liebevoll Charlotte genannt – einst gesprächig und kontaktfreudig. Doch der triste Alltag in der Seniorenresidenz und ihre zunehmende Immobilität stellen sie auf eine harte Probe.

Was Tiere schaffen, kann keine Kasse bezahlen

Benno ist ein Therapiehund und gehört Alina Hanel. Sie arbeitet als zertifizierte tiergestützte Pädagogin in der Seniorenresidenz K&S in Radebeul. Ihr Hund darf hier ein und aus gehen, denn diese Einrichtung traut sich etwas, was viele andere noch verweigern: Tiere im Alltag älterer, oft schwer kranker Menschen zuzulassen. „Sie gelten ja leider noch immer als Störfaktor – aus angeblich hygienischen, organisatorischen oder finanziellen Gründen. Doch wer einmal gesehen hat, wie ein Mensch mit Demenz durch die Nähe eines Hundes plötzlich wieder lacht, spricht, lebt, der erkennt: Hier geschieht etwas, das keine Kasse der Welt je bezahlen, aber auch niemand verbieten dürfte“, weiß Alina Hanel aus eigenem Erleben.

Die alte Dame im Bett hat die sanften Berührungen der kühlen, fordernden Hundenase an ihrer Hand inzwischen bemerkt. Benno sucht dort vergeblich nach Futter. Schnüffelnd saugt er den Geruch ein und kommt mit den Vorderpfoten langsam auf die Bettkante hoch. Plötzlich blinzelt Frau Hedwig mit dem rechten Auge, hebt langsam, aber bestimmt den Kopf und schaut in Bennos Richtung. Kurz darauf zieht sie ihre Hand ein wenig zurück, spreizt die Finger und beginnt, mit dem Zeigefinger vorsichtig durch sein Fell zu streichen. Jetzt ist sie da, die Charlotte. Wach. Und wie verwandelt. Schenkt Benno und Alina Hanel ein Lächeln. „Hunde verfügen über ein erstaunliches Feingefühl. Sie riechen Gefühle wie Angst, Anspannung, aber auch Freude, Sehnsucht, Traurigkeit oder Leid. Benno ist ein erfahrener Therapiebegleithund, hat längst mehr im Sinn als nur Futter. Oft geht er gezielt auf jene Bewohner zu, die eine innere Zerrissenheit oder tiefe Verzweiflung in sich tragen und die seine Nähe brauchen“, erzählt seine Besitzerin.

Für die alte Dame war die Begegnung mit Benno an jenem Spätsommertag so ein Moment. „Was hast du Frau Hedwig gesagt? Sie isst wieder“, wird Alina Hanel kurz vor Dienstschluss gefragt. „Ich habe gar nichts gemacht“, antwortet sie und blickt zu Benno. Der schaut mit großen Kulleraugen zurück, die zu sagen scheinen: Wir wissen es doch ganz genau…

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