Nordkorea gilt als einer der letzten, spannenden weißen Flecken für Globetrotter. Die abgeschottete sozialistische Militärdiktatur lässt nur limitierte und streng überwachte Reisegruppen, beispielsweise über die Nachbargrenze zu China, herein.
Wer einen bequemeren Blick hinter den Eisernen Vorhang erhaschen will, dem sei der deutsch-nordkoreanische Dokumentarfilm „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ empfohlen.
Die Frankfurter Filmemacherin Sung-Hyung Cho ist in Südkorea aufgewachsen, wo sie noch in der Schule gelernt hatte, Nordkorea sei von rothäutigen Monstern mit Hörnern bevölkert. Als erste Südkoreanerin erhielt sie die offizielle Drehgenehmigung, um sich von ihren Vorurteilen zu verabschieden. Logisch, dass die Protagonisten in problemfreien Kulissen zugewiesen waren, dass alles argwöhnisch beobachtet und zensiert wurde.
Wiedervereinigung?
Und so erlebt der Zuschauer eine befremdlich emotionale Führerverehrung, blickt in eine Eliteschule und fragt sich, wie es wohl in DDR-Sportkaderschmieden zuging, fühlt sich an die seinerzeit auch hier versuchte Haltung der Landeskinder in Unmündigkeit erinnert, blickt in sehnsüchtige Gesichter, die sich von einer fraglichen Wiedervereinigung viel versprechen. Wer investigativen Journalismus erwartet, wird enttäuscht.
Wer sich aber an DDR-Propaganda erinnert, kann es honorieren, wie die Kamera dokumentiert, statt sich für Werbezwecke vereinnahmen zu lassen, wie wertfrei und respektvoll die Regisseurin sich an systemtreue die Soldatin, Veteranin oder Vorzeigearbeiterin annähert, indem sie ihnen in Ruhe zuhört.
Wer Augen fürs unspektakuläre Detail hinter den allgegenwärtigen Losungen und Huldigungen hat, sieht unberührte Landschaft, gemächlichen Verkehr, fröhliche Bescheidenheit, ruhige, nur schwach beleuchtete Stadtnächte ohne Sirenen und Drogenszene und findige Bastelei für Energie-Autarkie in kleinster Hütte.
„Meine Brüder und Schwestern im Norden“ läuft im Kino im Dach
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