Doppelausstellung in den Technischen Sammlungen befasst sich mit Erinnerungen an Pentacon und Spurensuche zur Industriegeschichte im Ernemann-Bau
Wer sich mit der Geschichte der optischen und feinmechanischen Industrie in Dresden befasst, landet zwangsläufig bei Ernemann, Zeiss Ikon und Pentacon. Alle sind eng mit Dresden verbunden, sicherten als Arbeitsstätten tausenden Dresdnern ihr Einkommen.
„Bis zum bitteren Ende“
Mit zwei Ausstellungen, die noch bis 25. Februar zu sehen sind, schlagen die Technischen Sammlungen Dresden den Bogen vom Bau des imposanten Fabrikbaus der Dresdner Kameraindustrie in der frühen Weimarer Republik bis zum Ende seiner industriellen Nutzungsgeschichte im Zuge der deutschen Vereinigung 1990. Denn die einst international erfolgreiche Dresdener Foto- und Kinoindustrie wurde zum ersten Opfer der wirtschaftlichen Wiedervereinigung. Am Vorabend der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990 verkündete die Treuhand die Schließung des VEB Pentacon Dresden. Der erste Großbetrieb der DDR stand vor dem Aus. Für 6.000 Mitarbeitende war die Einheitsfreude getrübt. Arbeitslosigkeit und im besten Fall berufliche Neuorientierung bedeuteten für fast alle ehemaligen Pentaconianer eine scharfe Zäsur in ihrem Leben.
In der Ausstellung kommen ehemalige Mitarbeitende aus Produktion, Entwicklung und Vertrieb von Pentacon, frühere Vertragsarbeiter aus Vietnam, Ingenieure, ein Physiker, eine Ökonomin und ein damaliger Häftling aus der Strafvollzugsanstalt in Cottbus zu Wort. Sie erzählen in einem Film von Theo Thiesmeier und Christian Göthner vom Betriebsalltag und den schwieriger werdenden Bedingungen in den 1980er Jahren, von der Zusammenarbeit mit japanischen Unternehmen, welche Hoffnungen sie mit der Friedlichen Revolution und der Öffnung der Märkte verbanden und welche Hoffnungen letztlich zerstört wurden mit der Schließung von Pentacon.
„Zeitfenster“
Der zweite Teil der Doppelausstellung heißt „Zeitfenster“ und befasst sich mit der 100jährigen Geschichte des Ernemann-Baus. Am Anfang der Planungen von Heinrich Ernemann und seinen Architekten stand der Wunsch, ein Gebäude zu schaffen, das den neuesten Anforderungen und Möglichkeiten der Industriearchitektur gerecht würde. Zugleich sollte es als Landmarke im Dresdner Stadtbild und als Werbemarke auf Verpackungen, Anzeigen und in Katalogen die Ideen von Modernität und technischem Fortschritt mit den Produkten des Unternehmens assoziieren. Die Geschichte des Ernemann-Baus wurde bald jedoch auch zu einem Spiegelbild der Krisen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Nicht einmal ein Viertel der ursprünglichen Baupläne konnte überhaupt realisiert werden. Der Rest ging in Wirtschaftskrisen, Kriegs- und Nachkriegsjahren und den Mangelerscheinungen der sozialistischen Planwirtschaft unter. Der Fabrikturm wurde als Kirchturm verkleidet, um die kriegswichtige Produktionsstätte zu tarnen. In den 1970er und 1980er Jahren wurde der Ernemann-Bau auf die Denkmalliste gesetzt, in den folgenden Jahren gelang es dem volkseigenen Betrieb jedoch kaum noch, den zunehmenden Verschleiß an der Gebäudesubstanz zu stoppen. Die 1995 von der Stadt begonnene Sanierung der Anlage ist bis heute nicht abgeschlossen.
Doppelausstellung „Bis zum bitteren Ende“ und „Zeitfenster“ bis 25.02. in den Technischen Sammlungen Dresden, Junghansstraße 1-3
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