Was ein Friedhof mit einem Ehevertrag zu tun hat

Alter Katholischer Friedhof
Für Christoph Pötzsch ist das Grabmal „Schlafendes Mädchen“ eines der schönsten auf dem Alten Katholischen Friedhof Fotos: Pönisch

Der Alte Katholische Friedhof ist voller Geschichte(n). Im Februar 1724, also vor 300 Jahren, fand hier die erste Beisetzung statt. Zu verdanken ist dies der Schwiegertochter August des Starken.

Sie muss eine überaus kluge und selbstbewusste junge Frau gewesen sein, diese Habsburgische Kaisertochter Maria Josepha. Als klar war, dass August der Starke sie als Gemahlin für seinen Sohn Friedrich August II. auserkoren hatte und dass dies eine politisch motivierte Heirat sein würde, erzwang die damals 18-Jährige von ihrem Schwiegervater einen Ehevertrag, der es in sich hatte. Ein Punkt darin: Maria Josepha wollte einen Friedhof, auf dem die katholischen Angehörigen ihres Hofstaates ruhen würden. Im durch und durch protestantischen Dresden mag das damals bei vielen Höflingen zu Schnappatmung geführt haben. Doch August stimmte zähneknirschend mit strengen Auflagen zu. So verbot er den Bau einer Kapelle sowie die Anlage von Grufthäusern. Zu Grabe getragen werden durften hier nur Hofangehörige – in aller Stille und ohne Gebete. Und außerhalb der Stadt, denn die heutige Friedrichstadt lag vor den Toren Dresdens. Die erste Beisetzung fand im Februar 1724 statt. Erst ab September 1738, also einige Jahre nach dem Tod August des Starken, stand der Friedhof allen Katholiken offen.

Ältester noch in Betrieb befindlicher Friedhof

Heute, 300 Jahre später, ist der Alte Katholische Friedhof an der Friedrichstraße die älteste noch in Betrieb befindliche Begräbnisstätte Dresdens. Hier gibt es nicht nur unzählige historische Gräber, hier ruhen auch sehr viele bekannte Persönlichkeiten der Stadt. Zum Beispiel Johann Christian Götze, ein Priester und Archivar von Kurfürst Friedrich August II. Von einer seiner Einkaufsreisen in Wien brachte er 1739 die weltberühmte Maya-Handschrift mit, ohne zu wissen, was er da genau in den Händen hielt.

Als eines der spannendsten Gräber bezeichnet Historiker Christoph Pötzsch, der im Vorstand des Alten Katholischen Friedhofs tätig ist, die Ruhestätte der Gräfin Auguste Charlotte von Kielmannsegge. „Die Dame war eine große Anhängerin Napoleons, galt als seine Beraterin und geheime Agentin.“ Sie verehrte ihn noch innig, als er die Völkerschlacht bei Leipzig verloren und viele „treue Freunde“ sich abgewandt hatten. Als sie starb, sei in ihrem Wohnsitz im Plauenschen Grund ihr wahrer Napoleon-Kult entdeckt worden.

Auch Carl Maria von Weber fand seine letzte Ruhe auf dem Alten Katholischen Friedhof, obwohl er 1826 in England verstarb. Aber die Dresdner vergötterten ihren Komponisten so sehr, dass sie damals sogar Geld sammelten, um seine sterblichen Überreste an die Elbe zurückführen zu können. Was sie 1844 auch tatsächlich schafften. Richard Wagner höchstpersönlich hielt die Grabrede, Gottfried Semper brachte sich bei der Grabgestaltung ein.

Zu den großen Namen gehören auch Johann Georg Chevalier de Saxe, ein illegitimer Sohn August des Starken, sowie Johann Baptist Casanova, Bruder des weltberühmten Frauenverstehers und Herzensbrechers Giacomo Casanova.

Etwas Besonderes ist die Grabstätte von Balthasar Permoser. Der berühmte Bildhauer, der unzählige Skulpturen anfertigte, galt als unfreundlicher, knurriger Bayer mit Bart, was in der Zeit der Perücke tragenden und weiß gepuderten Männer schon mehr als mutig war. Der originale „Grabstein“, den sich Permoser schon zu Lebzeiten anfertigte, steht in der kleinen Kapelle des Friedhofs.

Unter den hohen Bäumen sind auch Gerhard von Kügelgen, Bartolomeo Bosco (ein Zauberer) und Anton Konrad (1880-1938) bestattet. Letzterer war ein einfacher Schlosser, zugleich aber einer der genialsten und nie enttarnten Kunstfälscher seiner Zeit. Erst lange nach seinem Tod stellten Experten fest, dass viele alte Waffen der Barock- und Renaissancezeit von Konrad angefertigt waren. Die Dresdner Finanzbeamten wunderten sich, wieso ein einfacher Schlosser so luxuriös leben konnte. Hinter sein Geheimnis kamen sie nie…

Diese und noch sehr viele andere Geschichten kann Christoph Pötzsch bei seinen Führungen erzählen. Die Einnahmen daraus gehen komplett an die Katholische Kirchhofsstiftung zu Dresden, die Träger des Alten wie des Neuen Katholischen Friedhofs (Bremer Straße) ist. Das Geld wird dringend gebraucht, um die vielen historischen Grabstätten pflegen und erhalten zu können. Auch Grabpatenschaften werden vergeben.

Nächste Führung über den Alten Kath. Friedhof am 14. Juli, 14 Uhr, Treff Haupteingang Friedrichstr. 54, Kosten: 7,50€ p.P.

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