
Der Sächsische Bergsteigerbund besitzt das größte deutsche Gipfelbucharchiv / Rund 4.800 Bücher befinden sich in der Sammlung im Vereinszentrum in Dresden
Die Belohnung wartet auf dem Berg. Gut gesichert vor Wind und Wetter, in einer Kapsel aus Metall, fest im felsigen Boden verankert. Etwa postkartengroß und zwei Zentimeter dick. Dazu da, um Aufstiegserfolge zu dokumentieren. Denn ins Gipfelbuch darf sich eintragen, wer es auf den Gipfel geschafft hat.
Name, Datum, Aufstiegsweg: Das darf ins Buch
In der Sächsischen Schweiz gibt es aktuell 1.135 erklimmbare Gipfel in 13 Klettergebieten. Und auf jedem ist ein Gipfelbuch zu finden – zumindest theoretisch, denn manchmal verschwinden die kleinen Gästebücher der Berge auch still und heimlich, landen vermutlich als Trophäe in privaten Truhen.
Doch das ist zum Glück selten. Die meisten Büchlein verbringen ihr Leben unbeschadet auf dem Berg und wenn sie vollgeschrieben sind mit Namen, Aufstiegsdatum und Aufstiegsweg, dann landen sie im Gipfelbucharchiv des Sächsischen Bergsteigerbundes (SBB) auf der Papiermühlengasse in Dresden.
Rund 4.800 der kleinen gebundenen Büchlein zählt dieses deutschlandweit einzigartige Archiv, in dem mittlerweile auch noch über 100 Höhlen- und Boofenbücher sowie Wanderbücher und solche über besondere Klettersteige zu finden sind. Michael Bellmann kennt sie alle, zumindest hat er alle irgendwann einmal in der Hand gehabt. Und in vielen dürfte auch sein Name stehen, denn Bellmann ist nicht nur Leiter des Gipfelbucharchivs im SBB, sondern von Kindesbeinen auch aktiver Kletterer.

Als „Erfinder“ des Gipfelbuches (das damals noch Fremdenbuch hieß) gilt Oscar Schuster. Der Pionier des sächsischen Bergsteigens und sein Seilgefährte Fritz Böhme hinterlegten 1893 ein solches Heft bei ihrer zweiten Besteigung des „Schusterturm“ im Bielatal. „Leider ist dieses kleine Notizbuch nicht erhalten geblieben“, bedauert Michael Bellmann. Doch ein anderes mit inzwischen total vergilbten Seiten aus dem Jahr 1894 zeugt heute noch davon, wer zwischen dem 12. Mai 1894 und 13. Juni 1920 das „Große Spitze Horn“ erklommen hat.
Nicht jedes Gipfelbuch liegt allerdings wie dieses „Urbüchlein“ 26 Jahre auf dem Felsen. „Je nachdem, wie schwer oder einfach der Aufstieg auf einen Berg ist, füllen sich die Bücher mehr oder weniger schnell“, weiß Michael Bellmann. Der „Papst“, die „Narrenkappe“, der „Daxenstein“ oder der „Honigstein“ sind leicht erklimmbare Felsen, auf denen alle paar Monate ein Büchertausch stattfindet. „Aber auf schwer zu kletternden oder abgelegenen Felsen kann es schon sein, dass heute noch Bücher aus den 1950er bis 1970er Jahren liegen“, sagt Frank Wehner, Leiter der Klettertechnische Abteilung (KTA) im SBB.

Natürlich gibt es auch einen Gipfelbuch-Knigge. Der regelt genau, was drinstehen darf und was nicht hineingehört. Zum Beispiel Herzchen, Smileys, Männel oder Sprüche. „Davon ausgenommen sind die Jahreserstensprüche. „Die darf eintragen, wer in einem Jahr der Erste auf dem Gipfel ist“, sagt Michael Bellmann. Über die Sprüche, die wunderbar den Zeitgeist der jeweiligen Epoche widerspiegeln, hat Bergsporthistoriker Joachim Schindler ein ganzes Buch geschrieben. So hat zu DDR-Zeiten auch die eine oder andere kritische Zeile Eintrag gefunden wie zum Beispiel jene: „Von der Ostsee bis nach Sachsen – kein Berg ist uns gewachsen. Von Osten nach Westen – das können wir nicht testen“, verfasst 1988 und im Gipfelbuch auf dem „Falkenturm“ verewigt. Natürlich ohne Namen, denn auch die Stasi kletterte mit…
In der Moderne angekommen: Digitalisierte Bücher
Das klettergeschichtliche Erbe, das im Gipfelbucharchiv lagert, muss erhalten bleiben. Nicht nur, weil das Sächsische Bergsteigen seit 2024 „Immaterielles Kulturgut“ ist. Nicht nur, weil in der Sammlung ohnehin schon Lücken in den 1920er und 1930er Jahren klaffen. Sondern auch, weil das Archiv jeden ersten Dienstag im Monat geöffnet hat und hier Generationen aufeinandertreffen, wenn Opa den Enkeln seine Gipfelbuch-Einträge zeigt. „Dank des Landesdigitalisierungsprogramms konnten wir an der SLUB eine Auswahl von 20 Gipfelbüchern digitalisieren lassen, darunter das erste Buch vom Felsen Barbarine“, sagt Frank Wehner und hofft auf eine Fortsetzung. Denn auf diesen Fundus, der übrigens erst nach 1990 richtig geordnet und sortiert wurde, kann der Verein wahrlich stolz sein.
Das Gipfelbucharchiv des SBB auf der Papiermühlengasse in Dresden ist jeden 1. Dienstag im Monat von 17 bis 19 Uhr geöffnet
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