Benjamin ist Schüler an einer aufgeklärten, staatlichen Schule. Eines Tages weigert er sich, am Schwimmunterricht teilzunehmen und zwar nicht, wie seine Mutter vermutet, wegen einer unkontrollierbaren Erektion – „Das ist normal, hast du etwa keine?“ –, sondern weil der Anblick seiner minimal bekleideten und allesamt sehr sehenswerten Mitschülerinnen seine Gefühle verletzt, die er für religiös hält.
Der russische Film „Der die Zeichen liest“ basiert auf dem Theaterstück „Märtyrer“ des deutschen Dramatikers Marius von Mayenburg, das 2012 in Berlin uraufgeführt wurde. Die russische Adaption von Regisseur Kirill Serebrennikov war 2016 erstmals in Cannes zu sehen.
Das Thema ist brandaktuell: Was bringt junge Männer dazu, zu konvertieren und infolgedessen einem fanatischen Missionswahn zu verfallen, der für keine rationalen Argumente mehr zugänglich ist und schließlich sie und andere Menschen mit sich in den Tod reißt.
Während ringsum pubertär und zeitgeistig freizügig Sex, Drugs und Partys gefeiert werden, errichtet Benjamin (beängstigend suggestiv gespielt von Petr Skvortsov) ein härteres Bollwerk gegen die eigene Unsicherheit. Er bedient sich aus der Bibel mit aggressiv-fundamentalistischen Zitaten, deren exakte Stelle als Fußnote jeweils eingeblendet wird, um als selbst ernannter Moralapostel gegen Homosexualität, Scheidung und Darwin ins Feld zu ziehen.
Grotesk und mit Lachern gewürzt, entlässt der Film die Zuschauer mit hängenden Mundwinkeln und zum Debattieren aufgelegt. (U. Giesecke)
Bundesstart am 19.1.
Ich wuensche ein gutes und gesundes neues Jahr.
Liebe Gruesse
Monika