Er ist der heimliche Star des Abends: Andrzej Dobber. Auch wenn der Titelheld Otello heißt (solide gesungen von Stephen Gould), so besiegt ihn der intrigante Schuft Jago nicht nur, weil es Verdi so will, sondern eben auch in der stimmlichen und körperlichen Beweglichkeit des Sängers.
Dazu liefert die Staatskapelle unter Thielemann zuverlässig hohe Qualität. Das Auge erfreuen die Kostüme in ihrem Samt-und-Seide-Rausch (Christian Lacroix) sowie eine vieldeutige Videoinstallation (Isabel Robson). Neben Meereswogen und Wolkenformationen weht das Beweisstück für Otellos blinde Eifersucht am Bühnenhimmel: ein Hauch von einem Nichts wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, der das Gewitter auslöst. Ein tanzender Todesengel (Sofia Pintzou) wertet die steife Arienschlacht optisch merklich auf.
Soweit so gut, das grauköpfige Publikum kommt immerhin per Bus extra von weither in die durch Salzburgs Erstaufführung, Thielemann und Grammy-Preisträgerin Dorothea Röschmann (Desdemona) geadelte Inszenierung. Übrigens sind auch Christa Maier und Georg Zeppenfeld, leider nur in Nebenrollen, bemerkenswert.
Doch viel mehr als Sehen und Gesehenwerden plus Hörgenuss bringt der langatmige Abend denn doch nicht. Wenn der Blick allzu oft zur hübschen Fünf-Minuten-Uhr wandert, hat der Regisseur (Vincent Boussard) was falsch gemacht. Mangels Personenführung stehen die Sänger hilflos im klug angelegten Bühnenbild (Vincent Lemaire) herum, statt beispielsweise mit ihrem Spiegelbild zu spielen. Denn hinter dem banalen Eifersuchtsdrama steht das archetypische Ringen um Selbstbild und eigenen gesellschaftlichen Platz in oder außerhalb einer im Untergang befindlichen Hackordnung. Fazit: Selbst beste Zutaten hinterlassen ohne Zubereitung einen faden Nachgeschmack.
1./13./28. Mai, Karten ab 27 Euro unter: www.semperoper.de
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