Dresden gedenkt Marwa El-Sherbini

Das Landgericht in Dresden. Foto: Matthias Hiekel/Archiv
Das Landgericht in Dresden. Foto: Matthias Hiekel/Archiv

Zahlreiche Menschen haben am Mittwoch in Dresden der ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini gedacht. Wegen Corona diesmal vor dem Landgericht und nicht an der Gedenktafel im Foyer legten Vertreter der sächsischen Justiz, der Stadt und von Verbänden sowie Bürger in Erinnerung an den Mord, der 2009 das ganze Land erschütterte, weiße Rosen nieder. Anders als in der Vergangenheit war es kein stilles Gedenken. In Ansprachen wurden Alltagsrassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in der Gesellschaft benannt – und zum Widerstand aufgerufen.

Die 31-Jährige hatte damals einen Mann wegen rassistischer Beleidigungen angezeigt. In der Berufungsverhandlung am 1. Juli 2009, in der sie als Zeugin aussagte, stach der Angeklagte die schwangere Frau mit einem Messer nieder und verletzte ihren Mann schwer – vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Die Bluttat hatte Entsetzen in Deutschland und Proteste in der islamischen Welt ausgelöst. Der Täter war später wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

„Menschenverachtende Ideologien sind weit verbreitet, verbale und physische Angriffe gehören für viele Menschen zum Alltag“, sagte Justizstaatssekretärin Gesine Märtens (Grüne). Das Schicksal von Marwa El-Sherbini mahne, einzugreifen, wenn Menschen aus rassistischen oder frauenfeindlichen Gründen bedroht oder angegriffen werden.

„Das, was zu dieser Tat und nach wie vor zu Gewalt führt in unserem Land, das ist nicht vorüber, vielleicht noch schlimmer geworden“, sagte Bürgermeister Peter Lames (SPD) unter Verweis auf den Lübcke-Mord und die Morde von Hanau sowie den Anschlag von Halle. Verschwörungstheorien, Legendenbildung und „Unbildung, damit umzugehen“, mündeten in Alltagsrassismus, den viele Menschen erlebten. Er mahnte, jeder müsse das eigene Handeln hinterfragen. Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung seien keine Privatsache. „Wer so denkt und handelt, der stellt die Grundlagen unseres Staates und friedlichen Zusammenlebens in Frage.“

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) forderte mehr Engagement gegen Rassismus. Seit dem Mord an Marwa El-Sherbini nähmen Übergriffe und Anschläge auf Muslime stetig zu, sagte Generalsekretär Abdassamad El Yazidi laut Mitteilung. „Damals wie heute wird das Phänomen des antimuslimischen Rassismus und die negative Stimmung gegen Muslime oft noch in der Gesellschaft ignoriert und zu oft unterschätzt.“

Die Ägypterin Douha Al-Fayyad, die Ingenieurin ist und sich an der TU Dresden auf ihre Doktorarbeit vorbereitet, nannte Beispiele: „Es werden Steine auf uns geworfen und Hunde auf uns gehetzt“, sie berichtete von einem Messerangriff im Taxi oder dass die Bustür geschlossen wird, wenn gerade ein Fuß drin sei. „Rassistischer Hass trifft nicht nur Muslime, sondern auch das deutsche Volk“, sagte sie. „Hanau, die NSU-Morde und Halle haben gezeigt, dass Rassismus tötet.“

Auch sächsische Migrantenorganisationen hatten zuvor von Politik und Gesellschaft mehr Engagement gegen rassistisch motivierte Gewalt und Strukturen verlangt. Das sei „unabdinglich und längst überfällig“, appellierte der Dachverband DSM. Er wies darauf hin, dass seit Jahren „fast unangetastet“ rechte Strukturen wachsen und arbeiten könnten und rassistische Beleidigungen und Gewalt für viele Menschen zum Alltag gehörten. „Der Mord an Marwa El-Sherbini ist kein Einzelfall“, verwies der DSM auf die 19 Todesopfer rechter Gewalt seit 1991 in Sachsen. „Jeder dieser Menschen ist einer zu viel und zeigt, wie Rassismus in Deutschland tötet.“

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