Vor fast genau einem Jahr wurde die erste Straßenbahn neuen Typs nach Dresden geliefert. Inzwischen stehen drei dieser Stadtbahnen bei den DVB. Doch im Linienbetrieb rollt noch keiner.
In ein neu gekauftes Auto setzt man sich hinein und fährt los. Vielleicht ist das bei einem neuen DVB-Bus ähnlich problemlos möglich. Bei den neuen Stadtbahnwagen, die in Bautzen und Görlitz bei Alstom für die Dresdner Verkehrsbetriebe gebaut werden, scheint die Sache mit der Inbetriebnahme alles andere als einfach zu sein.
Rückblick: Großer Bahnhof, große Hoffnungen und ein Ziel: Frühjahr 2022
Mitte September 2021, also vor genau einem Jahr, wurde die erste neue Stadtbahn in Dresden angeliefert. Am 1. Oktober stand das gute Stück mit der Bezeichnung NGT DX DD 2901 im Betriebshof Gorbitz zur ersten öffentlichen Besichtigung bereit und sogar Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer samt Wirtschaftsminister Martin Dulig waren gekommen, um das innovative Gefährt zu bestaunen. Es werde, so erfuhren die beiden und die Öffentlichkeit damals, zunächst ein umfangreiches Programm mit Probefahrten und technischen Prüfungen absolvieren und im Frühjahr 2022 im Liniendienst der Pilotlinie 2 eingesetzt. Doch schon bald schien klar: Der Plan geht nicht auf.
Herbst 2022: Drei Stadtbahnen, aber keiner im Liniendienst
Zwölf Monate, viele Tests und etliche Probefahrten später stehen seit März 2022 drei Stadtbahnen auf dem Betriebshof der DVB, aber nicht eine rollt fahrplanmäßig im Liniendienst.
Im November 2021 zeigte sich DVB-Sprecher Falk Lösch noch optimistisch: Zunächst müssten Teile der Hardware komplettiert, danach die Software für die Fahrzeugsteuerung eingestellt werden, dann könne die Justierung der Antriebe und Bremsen erfolgen und dann erste Testfahrten. „Der Linieneinsatz der neuen Stadtbahn ist im Frühjahr 2022 geplant.
Doch davon scheinen die DVB noch ein Stück weit entfernt zu sein: „Der Prozess der Inbetriebsetzung unserer neuen Stadtbahn mit teilweise neuer Technik braucht seine Zeit“, erklärt Sprecherin Anja Ehrhardt. „Das hat mit den umfangreichen Prüfungen zu tun, aber auch mit Rückschlägen durch die Corona-Pandemie, Lieferkettenengpässe, Fachkräftemangel – sei es im Herstellungsprozess bei Alstom, deren Subunternehmen oder bei der jetzt laufenden Justierung von Hard- und Software.“
Mittlerweile laufe die Inbetriebsetzung parallel an allen drei bereits gelieferten Stadtbahnwagen. Wann der planmäßige Einsatz zumindest einer davon bevorstehe? „Leider gibt es derzeit noch keinen Termin für die Aufnahme des Linienbetriebs.“
Problem: Es gibt halt keine Straßenbahnen „von der Stange“
Was leicht in Vergessenheit gerät: Auch bei den vorherigen Fahrzeugtypen hat es ein Jahr gedauert, ehe die Verkehrsbetriebe die Neuen auf die Schienen stellen konnten. „Eine Straßenbahn gibt es nicht von der Stange, sondern sie ist ein maßgeschneidertes Produkt und genau auf unsere Anforderungen im Dresdner Streckennetz zugeschnitten“, erklärt Anja Ehrhardt. Zwar habe man gehofft, dass es dieses Mal schneller ginge. Doch „der Prozess braucht seine Zeit, weil das neue Fahrzeug deutlich mehr Einzelkomponenten und Funktionen besitzt, die allesamt zu justieren, zu testen und zu prüfen sind. Insgesamt ist die Technik wesentlich komplexer geworden. Das betrifft zum Beispiel Fahrer-assistenzsysteme, Klimatechnik, Fahrgasttüren, Antriebs- und Bremstechnik. Deshalb kann der Wagen auch nur unter Dresdner Bedingungen und nicht beim Hersteller getestet werden. Das fängt bei der Spurweite und den Brückentraglasten an und geht beim Ansteuern der Weichen weiter.“
Ob dieses Jahr überhaupt noch wie ursprünglich geplant weitere Stadtbahnen geliefert werden – auch das kann derzeit nicht beantwortet werden. „Wir sind dabei mit dem Hersteller über den Lieferplan zu sprechen.“ Das wiederum dürfte Auswirkungen auf die gesamte Planung haben: Bis Ende 2023 sollten alle 30 Stadtbahnen (Kosten: 197 Millionen) im Einsatz sein.
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