1968 öffneten in der DDR die ersten Läden für Jugendmode. Warum es dazu kam und wo sich vor 55 Jahren die erste „JuMo“-Warteschlange Dresdens bildete …
Kann Kleidung die Politik einer Regierung beeinflussen? Ja, das kann sie. Ein gutes Beispiel dafür ist „Sonnidee“ – was einst für „sonnige Jugend, ideenreiche Mode“ stand und im Projekt „Jugendmode“ gipfelte.
Schicke Ost-Klamotten statt Jeans aus dem Westen
Für junge Leute in der DDR war es bis Mitte der 1960er Jahre nicht leicht, sich optisch von der Eltern- und Großelterngeneration abzugrenzen. Das Bekleidungsangebot für sie unterschied sich von der Mode der Erwachsenen nur in einem Punkt: der Kleidergröße. Ansonsten galt: Praktisch musste es sein, möglichst lange haltbar und halbwegs passend.
Wer Glück hatte, bekam die neuesten Trends aus dem Westen geschickt. Und wer geschickte Hände hatte, schneiderte sich seine Klamotten also selbst. Die Vorlagen dafür lieferte der Westen. Hier trugen junge Leute Jeans und Lederjacken, knallige Farben, moderne Schnitte, trendige Muster. Was also tat die Ostjugend? Sie guckte Westfernsehen, blätterte in Westheften und kupferte fleißig ab. Es wurde genäht, gestrickt und gehäkelt – Hauptsache, es musste keine Kleidung von der Stange getragen werden.
Ein Parteibeschluss und eine schnelle Umsetzung
Natürlich konnte es der SED-Führung nicht gefallen, wenn sich die sozialistische Jugend am Westen orientierte und die einheimische 0815-Mode nicht kaufte. 1967 ging es der DDR-Jugend daher an die Wäsche. Auf dem VII. Parteitag der SED verlangte Walter Ulbricht höchstpersönlich, mehr Konsumgüter zu produzieren und dabei auch an die Jugend zu denken. Auch auf dem VIII. Parlament der FDJ entdeckte man das Thema. Was dazu führte, dass relativ schnell eine „Arbeitsgruppe Jugendmode“ gegründet wurde, die die Modelinie „Jugendmode – kess und farbenfroh“ entwickelte. Ausgewählte Produktionsbetriebe wurden mit der Herstellung beauftragt und schon im Frühjahr 1968 wurde das neue Bekleidungsprogramm unter dem Markennamen „Sonnidee“ vorgestellt. Als Erster durfte übrigens der Erste Sekretär des Zentralrates der FDJ den schicken neuen Ostlook begutachten. Das war zu jener Zeit Günther Jahn – mit 38 Jahren allerdings auch schon der Zielgruppe 15 bis 20 entwachsen.
Als es in Dresden zu langen Schlangen kam
Die Jugendmode-Kollektion umfasste sowohl Freizeit- als auch Festbekleidung, dazu gab es Schuhe, Mützen und Schmuck. Und wen wundert‘s: Die Entwürfe orientierten sich stark an westlicher Mode.
Die ersten Läden, in denen es die zeitgemäße schicke Jugendmode gab, öffneten im April 1968 in Berlin und acht Bezirksstädten. Darunter am 19. April in Dresden auf der Reitbahnstraße 12, die damals noch Dr.-Karl-Rüdrich-Straße hieß. Wie die Sächsische Zeitung am 20. April schrieb, seien „die Vitrinen und Warenträger mit Mini und Kräuselkrepp gut gefüllt und im Lager warte noch Ware im Wert von rund 800.000 Mark auf den Verkauf“. Von den langen Schlangen vor der Ladentür war nichts zu lesen – es gab sie trotzdem. Denn die Jugendmode-Idee kam tatsächlich gut an.
Überrascht vom Erfolg und ein neuer Trend: Vliesett
Dass die Jugendmode binnen Tagen ausverkauft war, der Nachschub aber stockte, davon waren die Genossen offenbar sehr überrascht. Die Planwirtschaft der DDR ließ wiederum schnelles Reagieren nicht zu. So hieß der neue Trend schon ab Mai 1968 „Vliesett“ – eine Stoffart ähnlich Papier. Die daraus geschneiderten Kleider konnten bei Bedarf mit Klebeband zusammengehalten und bis zu fünf Mal gewaschen werden. Zudem waren sie mit 11,50 Mark sehr preiswert. Der Ursprung der Papierkleider wurde dabei schamhaft verschwiegen, denn die Idee stammte aus New York, also vom Klassenfeind. Doch der Zweck heiligte eben auch damals schon die Mittel …
Wenn Sie, liebe Leser, sich an Ihre Jugendmode-Zeit erinnern und vielleicht Geschichten über die Läden und die Mode oder Ihre ersten Jeans Marke Boxer“, „Shanty“, „Goldfuchs“ oder „Wisent“ erzählen können, dann schreiben Sie uns gern über die Kommentagfunktion.
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