Beim Fällen dran denken: 400 junge sind ein alter Baum

Kaditzer Linde
Die Linde in Dresden-Kaditz wird auf mindestens 800 Jahre geschätzt, manche gehen von bis zu 1.000 Jahren aus. Foto: Pönisch

Uralte Bäume sind wichtig für die Umwelt. Diese sogenannten Methusalems zu erhalten hat sich der Dresdner Professor Andreas Roloff zur Aufgabe gemacht

Neue Forschungsergebnisse belegen es schwarz auf weiß: Um die Umweltleistungen eines Altbaumes zu ersetzen, sind etwa 400 Jungbäume notwendig. Dies fand der Dresdner Forstwissenschaftler Prof. Andreas Roloff bei seinen Forschungen zu den sogenannten „Methusalembäumen“ heraus.


„Dieses Ausmaß war mir nicht bewusst“

Es ist eine gewaltige Summe. Prof. Andreas Roloff, Forstwissenschaftler mit einer großen Expertise für alte Bäume, rechnete deshalb mehrmals und mit unterschiedlichen Methoden nach. Doch am Ende blieb es dabei: Um die Wirkungen eines Altbaumes mit einem Kronendurchmesser von etwa 20 Metern hinsichtlich seiner Umweltleistungen wie Luftfilterung, Beschattung, Kühlung und CO2-Speicherung zu ersetzen, braucht man zirka 400 Jungbäume. „Auch mir war das Verhältnis in diesem Ausmaß so nicht bewusst“, so der Professor. „Dies macht aber umso deutlicher, wie viel mehr wir Altbäume in unserer Umgebung achten und pflegen müssen und sie nicht leichtfertig fällen dürfen, um beispielsweise Baufreiheit zu schaffen“. Die derzeit bei Fällungen angeordneten Ersatzpflanzungen von ein bis drei Jungbäumen hätten da allenfalls eine Alibifunktion.
Schon seit 1980 forscht Prof, Andreas Roloff, ehemaliger Direktor des Instituts für Forstbotanik und Forstzoologie und des Forstbotanischen Gartens in Tharandt an der TU Dresden, zu den Themen Baumalterung, Baumarten, Baumpflege sowie Trockenstress-Reaktionen und Trocken-Anpassung insbesondere in Siedlungsgebieten. Uralte Bäume, sogenannte grüne Methusalems, sind längst seine ganz große Leidenschaft und Herzensangelegenheit. So hat er die Initiative „Nationalerbe-Bäume“ ins Leben gerufen und schon 25 uralte Bäume in allen Teilen Deutschlands erfasst.


Zwei Datenbanken für ein langes Baumleben

„Mittlerweile können wir elf baumbiologische Eigenschaften definieren, welche die Lebenserwartung eines Baumes beeinflussen. Je mehr eine Baumart davon in sich vereinen kann, desto älter kann er theoretisch werden – wenn Bedingungen, Standort und Baumpflege stimmen und der Baum vor allem nicht vor seiner Zeit gefällt wird“, erklärt Roloff.
Für eine optimale Standortwahl bei Baumpflanzungen haben Dresdner Forstwissenschaftler inzwischen zwei Datenbanken entwickelt: Die „KlimaArtenMatrix“, in der 250 Baum- und Straucharten nach ihrer Trockenstress-Resistenz gelistet sind. Und Citree, bei der aufgrund von 65 Kategorien bzw. Eigenschaften die besten Bäume aus etwa 400 Arten und Sorten für einen Standort mit einem Ranking ausgewählt werden.


Rettung für einen 800-Jährigen in Collm

Einer ganz außergewöhnlichen Baumrettung durch fachgerechte Pflege konnte Andreas Roloff Ende März beiwohnen. Die Linde in Collm bei Oschatz, mit rund 800 Jahren einer der ältesten Bäume Sachsens und seit Oktober letzten Jahres als Nationalerbe-Baum gelistet, drohte mit dem Austreiben der Blätter im Frühjahr auseinanderzubrechen. Ausgerüstet mit Handsägen kürzten acht Baumpfleger sorgsam Ast für Ast, um den Methusalem-Baum zu retten. „Die Collmer Linde ist nun für Jahrzehnte gesichert.“

Ein zweiter offiziell erfasster Naturerbe-Baum in Sachsen ist der Ginkgo im Schlosspark Jahnishausen bei Riesa. Mit seinem Alter von über 200 Jahren und einem Stammumfang von 5,15 Metern in 80 Zentimetern Höhe, der sogeannten „Taille“ des Stammes, gehört er zu den stärksten Ginkgos bundesweit. In die Liste der Nationalerbebäume wurde dieser Baum im Oktober 2019 aufgenommen.


„Kaditzer Linde gehört definitiv auf die Liste“

Noch steht die majestätische Kaditzer Linde nicht auf dieser Liste, „aber sie gehört definitiv dahin“. Wie alt genau der Baum auf dem Friedhof im Dorfkern von Kaditz ist, weiß eigentlich niemand genau. Prof. Roloff schätzt sie auf mindestens 800 Jahre, andere Quellen sprechen von 1.000. Vermutet wird, dass die Linde von sorbischen Siedlern oder beim Bau der Kapelle gepflanzt wurde. Das Kaditzer Wahrzeichen hat im Mittelalter nicht nur als Pranger gedient, sondern auch etliche Brände erlebt und dabei einmal sogar die angrenzende Kirche geschützt. Das war 1818, als 18 Bauerngüter, 30 Scheunen und das Pfarrhaus brannten. Dabei verletzte sich der Baum so stark, dass er fast zur Hälfte abstarb. Zurück blieb eine riesige Öffnung, die später vergittert wurde. Heute wird die Linde mit Zug- und Bandankern gestützt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.