Zufallsfund: Stadtarchiv Dresden verwahrt Pergament aus dem 12. Jahrhundert zum Auszug des Volkes Israel aus Ägypten
Ein Mitarbeiter des Stadtarchivs Dresden hat im Zuge wissenschaftlicher Untersuchungen der Bestände des historischen Ratsarchivs eine sehr bedeutende Entdeckung gemacht. In einem Akteneinband des 17. Jahrhunderts fand er ein hebräisches Handschriftenfragment, dessen Ursprung und Inhalt inzwischen entschlüsselt werden konnte. Es handelt sich dabei um einen Kommentar (Midrash) des jüdischen Gelehrten Menahem Ben Shlomo zum Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Er entstand 1139 im hochmittelalterlichen Rom und gelangte in einer Abschrift des 13. Jahrhunderts nach Dresden.
Das gefundene Schriftfragment bezieht sich auf das alttestamentliche Buch Exodus. Es zählt zu den gemeinsamen Urtexten der jüdischen und der christlichen Religion. Das Pergament wurde aufgrund seines hohen Materialwertes um 1620 buchbinderisch recycelt und zum Einband für städtische Gerichtsprotokolle verarbeitet.
Die seltene Quelle, von der weltweit nur zwei Manuskripte erhalten sind, verweist auf die mittelalterlichen Anfänge der jüdischen Gemeinde Dresdens, die bereits um 1265 existierte und in der Dresdner Altstadt bis 1411 eine größere Synagoge mit Schule unterhielt. Ob die Pergamenthandschrift im Kontext von Vertreibungen und Enteignungen an einen Buchbinder gelangte, ob sie gehandelt wurde oder bis zur Reformation im Bestand einer klösterlichen Bibliothek in der Stadt überdauerte, darüber können bisher nur Vermutungen angestellt werden.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen des Handschriftenfragments am Stadtarchiv Dresden wurde von Prof. Dr. Andreas Lehnardt von der Universität Mainz fachkundig unterstützt. Er gilt als namhafter Judaist, Theologe und Handschriftenspezialist. Eine digitale Publikation des erschlossenen hebräischen Fragments in entsprechenden Forschungsdatenbanken wird derzeit vorbereitet.
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