Seit 30 Jahren ist der Dresdner Verein „Jugend Arbeit Bildung“ (JAB) eine wichtige Anlaufstelle für Langzeitarbeitslose und neuerdings auch für Zugewanderte.
Sergeij Schiller hat goldene Hände. Jede Tischlerwerkstatt, jede Modellbaufirma und mit Sicherheit jedes Facility-Unternehmen (nannte man einst Hausmeisterdienst) wäre froh über einen solch handwerklich geschickten Mitarbeiter wie ihn. Sergeijs Problem: Der 60-Jährige versteht zwar die deutsche Sprache recht gut, spricht sie aber nicht. Zugleich ist er eher Einzelgänger als Teamplayer. Was bedeutet, dass Sergeij auf dem ersten Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance hat.
„Ihre Arbeit hier ist Sinn stiftend und wichtig für den sozialen Frieden
Dass der 60-Jährige dennoch jeden Tag arbeitet und schöne, sinnvolle Dinge herstellt, hat mit dem Verein „Jugend Arbeit Bildung e.V.“ zu tun. Seit 30 Jahren bietet er in geschützten Werkstätten Langzeitarbeitslosen sogenannte Ein-Euro-Jobs an, offiziell „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ genannt.
Rund 200 Teilnehmer werden hier auf der Bismarckstraße 56 monatlich beschäftigt, darunter 40 Prozent Frauen. Drei Viertel der Teilnehmenden sind seit vielen Jahren ohne Job. Krankheiten, Phobien, fehlende Ausbildung, Probleme mit Drogen und Alkohol, zu viele Kinder bis hin zum „Eingerichtetsein“ in Hartz IV sind die Ursachen dafür, dass sie auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chancen haben. „Multiple Vermittlungshemmnisse“ nennt man das im Behördensprech. Deshalb sollen sie hier im JAB-Verein vor allem eins lernen: Ihren Tag durch eine sinnvolle Beschäftigung strukturieren. Raus aus der Lethargie hin zu einem geregelten Tagesablauf. „Unsere Teilnehmer erfahren hier, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist und wichtig für den sozialen Frieden“, sagt Dr. Solveig Buder, neben Christine Graf eine der beiden Geschäftsführerinnen des Vereins. „Und das in doppeltem Sinn, denn seit einiger Zeit werden vom Sozialamt auch viele Zugewanderte zu uns vermittelt – vor allem Frauen, von denen viele noch nie außerhalb ihres Zuhauses gearbeitet haben. Wir sind hier ein Schmelztiegel der Kulturen und Sozialgeschichten.“
Sehen, was man kann und geschaffen hat
Und so wird gebohrt, gehämmert, gefeilt, genagelt, gemalt, genäht und gebacken in den sechs verschiedenen Werkstattbereichen des Vereins. „Wir bilden nicht aus, wir beschäftigen die Menschen“ – das zu betonen ist Solveig Buder wichtig.
22 verschiedene Maßnahmen stehen dafür zur Auswahl. „Alles, was wir hier leisten, darf keine Konkurrenz sein zu Firmen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Unser Motto ist: Wir leisten das, was für andere zu aufwendig und zu teuer wäre“, erklärt Christine Graf. Und so werden in den Kreativ- und Holzwerkstätten Bänke aus dem Großen Garten repariert, Bachböschungen gesäubert, Nistkästen und Insektenhotels für Bienenwiesen gezimmert, alte Fahrräder aufgearbeitet, die historischen Badekabinen im Naturbad Mockritz instandgesetzt, Schlafsäcke für Obdachlose ausgebessert, Spielhäuser und Theaterkostüme für Kita-Kinder entworfen, Geschenktüten gebastelt und Grußkarten gestickt.
„Die Aufträge dafür bekommen wir von der Stadt, von Kitas und Museen, aber auch von anderen Vereinen oder Firmen. Selbst für Privatpersonen führen wir Auftragsarbeiten aus“, zählt Dr. Buder auf. Als Beispiel nennt sie die großen Insektenhotels , die gerade für Global Fundris entstehen. Und selbst für die Dresdner Tafel werden im vereinseigenen 3.000qm großen Tafelgarten Obst und Gemüse angebaut.
Zusatzkosten hilft bei Finanzierung der Personalkosten
Mit dem Verkauf der Holz- und Näharbeiten, die im Kundenauftrag hergestellt werden, finanziert Christine Graf die Praxisanleiter, die den Teilnehmern fachlich zur Seite stehen. Denn deren Gehalt wird nur für 30 Wochenstunden von der öffentlichen Hand bezahlt, den Aufstockungsbetrag auf 40 Stunden trägt der JAB. Und auch um die Praxisanleiter zwischen den Pausen der geförderten Maßnahmen finanzieren zu können, werden die Gelder benötigt. „Deshalb sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Arbeitsaufträgen, gern auch von Privatpersonen“, wirbt Christine Graf. Allerdings sollten potenzielle Auftraggeber Geduld aufbringen: „Ein großer Zeitdruck darf nicht bestehen, da unsere Teilnehmer nicht in der Lage sind, strenge zeitliche Vorgaben zu befolgen“, so Dr. Buder.
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