Erst Kleingeld, dann Fahrscheinstreifen, heute Apps: Wie sich das Bezahlen in Bus und Bahn geändert hat und welches Jubiläum die gute alte Zahlbox feiert …
Es war eine kleine Revolution vor 60 Jahren, die in der Sächsischen Zeitung mit einem Bericht am 28. August und zwei Anzeigen am 13. und 14. September angekündigt wurde: Der 16. September 1963 war der erste Tag, an dem kein Schaffner mehr auf der Bahnlinie 20 mitfahren sollte. Denn an jenem Tag wurde der „völlig schaffnerlose Zug“ eingeführt.
Ganz so geschockt, dass nun eine Zahlbox die Aufgaben des Fahrscheinkaufs übernehmen würde, dürften die Dresdner dennoch nicht gewesen sein. Denn schon Monate zuvor war auf den Dreierzügen der Straßenbahnen der „schaffnerlose Mittelwagen“ getestet worden. Nun aber rollte die Linie 20 als erste Bahn komplett ohne Schaffner (OS) durch die Stadt und den Bahnfahrenden wurde drei Tage vorher per Zeitungsanzeige noch einmal erklärt, wie das funktioniert: „Sie können an jedem Wagen jeden Einstieg benutzen. Fahrgeld und Abschnitte der Abrisskarten werfen Sie in die Zahlbox auf dem Wagen, ziehen den Hebel nach vorn, lassen ihn los und reißen den ausgegebenen Bon ab.“ Wer eine Monatskarte besitze, solle diese beim Einsteigen hochhalten, so dass sich jeder Fahrgast davon überzeugen könne.
Zehn Jahre später der nächste Fortschritt
Ein kleiner Bericht über den großen Zahlbox-Tag auf der „20“ erschien dann drei Tage später. Im Großen und Ganzen seien die Fahrgäste ganz gut mit der Neuerung zurechtgekommen. Die meisten hätten „die Handhabung der Zahlbox schnell begriffen“. Natürlich gab es auch einige Dresdner, die zwar das Geld eingeworfen, jedoch den Fahrschein nicht abgetrennt oder „den Hebel an der Zahlbox zu zaghaft oder zu resolut“ betätigt hätten.
Doch die nächste „Revolution“ ließ nicht lange auf sich warten. Zehn Jahre später, am 30. April 1973, sind die Dresdner Verkehrsbetriebe erneut Vorreiter in Sachen Fortschritt. Der Rat der Stadt hatte beschlossen, dass Dresden „als erste Stadt der DDR das (bargeldlose) Entwertersystem auf den Straßenbahnen, Kraftomnibussen und O-Bussen der VEB Verkehrsbetriebe eingeführt“ – nachzulesen in der SZ am 13. März 1973. „Die oft versagenden und zu reparierenden Zahlboxen, die auch nicht völlig den Erfordernissen von Sicherheit und Ordnung entsprechen, gibt es damit künftig nicht mehr.“ Gemeint war damit vielleicht auch, dass so mancher Mitbürger nicht nur Geld, sondern eben auch mal Knöpfe oder Unterlegscheiben in die Zahlboxen warf, um zu sparen. Und dass nach drei kräftigen Zügen am Hebel ohnehin nicht mehr sichtbar war, ob überhaupt etwas im Schlitz gelandet war. Ein Verlustgeschäft also für den VEB (K) Verkehrsbetriebe Dresden, denn Schwarzfahrer konnten entdeckt werden.
1973 also war das bargeldlose Entwertersystem beschlossene Sache. Die Dresdner Verkehrsexperten hatten sich umgeschaut und in Warschau und Budapest gefunden, was sie suchten: ein modernes, vor allem bargeldloses System. Fortan galt der Grundsatz: Erst Fahrausweis kaufen, dann einsteigen. „Im Wagen ist der Einzelabschnitt der Sammelkarte sofort in den Entwerter einzuführen, die Drucktaste bis zum Anschlag durchzudrücken und der entwertete (gelochte) Fahrausweis wieder zu entnehmen und aufzuheben, bis die Fahrt beendet ist“, erklärte dazu die SZ am 22. März 1973. Zu kaufen gab es die neuen Fahrschnipsel in 685 Verkaufsstellen von HO und Konsum, in HO-Gaststätten, Interhotels, Kassen der Kultur- und Bildungseinrichtungen und Kinos. Allein 120 dieser Verkaufsstellen waren rund um die Uhr geöffnet. 24/7, wie man heute dazu sagt.
Heute gibt es neben den Ticketautomaten verschiedene Apps fürs Handy, die sowohl Kleingeld als auch Papier-Tickets überflüssig machen. Geblieben sind die Kontrollen, denn Schwarzfahrer gibt‘s halt immer noch
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