Projekt Dresdner Traditionszug: Mit Schwungrad-Elli fing alles an

Daniel Reitmann im „Sorgenkind“ Speisewagen Foto: Pönisch

Der Verein „IG Bahnwerk Dresden Altstadt“ schraubt mit Begeisterung an alten Eisenbahnwaggons und hat schon Pläne für die Jungfernfahrt. Das ambitionierte Projekt heißt „Dresdner Traditionszug“

Schwungrad-Elli ist ziemlich fit und obwohl sie schon seit 45 Jahren im Ruhestand ist, schleppt sie noch große Lasten durch die Gegend. Und das dürfte sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern, denn auf Elli kommen im wahrsten Sinne des Wortes bewegte Zeiten zu.


„Wir haben die Lok. Aber keine eigenen Wagen.“

Schwungrad-Elli ist eine E-Lok der E77-Reihe, gebaut 1925. Bis 1969 versah sie ihren Dienst, dann landete sie erst im Depot, später im Eisenbahnmuseum Dresden. Weil Elli von robuster Natur war, bekam sie ein zweites Leben als Museumslok, wo sie als kraftvolle Führerin seit 1979 im Einsatz ist. „Mit ihr fing eigentlich alles an“, erzählt Daniel Reitmann, 2. Vorsitzender des Vereins „IG Bw Dresden Altstadt“. „Irgendwann sagten wir uns: Wir haben die Lok. Aber keine eigenen Wagen. Warum eigentlich nicht? So ein komplett eigener Vereinszug – das wäre doch was?“ Dazu muss man wissen, dass sich die IG-Mitglieder jedes Mal von befreundeten Vereinen einsatzfähige Eisenbahnwagen kostenpflichtig ausleihen müssen, wenn sie mit Elli auf Sonderfahrt gehen wollen.


Parallel zu dieser Idee, die sich in den Köpfen festsetzte, kam der Zufall daher in Form eines schrottreifen Eisenbahnwagens Baujahr 1931. Den hatte ein Vereinsmitglied 2019 sehr günstig gekauft und damit vor der Schrottpresse gerettet. Was sich im Nachhinein als Segen herausstellte, denn dieser Wagen ist tatsächlich der allerletzte genietete Schnellzugwagen, den die Reichsbahn bauen ließ. „Danach wurde auf Schweißtechnik umgestellt“, weiß Bahnexperte Reitmann.


Seit April 2020 wird an „16 518 Hannover“, so die korrekte Bezeichnung, herumgewerkelt, heute steht der Wagon sandgestrahlt, rostfrei und mit überarbeitetem Fahrwerk im Eisenbahnmuseum auf der Zwickauer Straße und lässt noch einige Stahlarbeiten über sich ergehen. „In einem dreiviertel Jahr etwa könnte er lackiert und dann innen ausgebaut werden. Er bekommt neuen Holzfußboden und neu gepolsterte Sitze, alles originalgetreu. Wenn alles klappt, könnte er 2027 schienenfertig sein“, ist Daniel Reitmann optimistisch.


Wagen Nr. 2 und 3 bringen jede Menge Arbeit

Jeden Samstagmorgen ab 9 Uhr treffen sich die Eisenbahnenthusiasten zum gemeinsamen Schrauben. In einer weiteren Werkstatthalle wartet der „11 365 Dresden, Baujahr 1928“ auf seine Wiederbelebung – auch er ein klassischer Abteilwagen. „Nächste Woche wird er sandgestrahlt und grundiert, im kommenden Frühjahr soll er lackiert werden und dann folgt auch schon der Innenausbau.“ Kaum vorstellbar für den Laien angesichts dieses völlig entkernten Metallungetüms, aber Daniel Reitmann versprüht derart viel Optimismus, dass schon alles wie geplant verlaufen wird. Das Besondere an diesem Wagen: Er ist das Geschenk eines 75-jährigen Eisenbahnfans aus dem Stuttgarter Raum.
Wagen Nummer 3 ist der neueste Zugang, er kam erst vor vier Wochen aus Seebruck im Schwarzwald und steht zwischengeparkt irgendwo bei Ottendorf-Okrilla. Dieses Modell heißt „73 233 Dresden“, wurde 1930 gebaut und ist im Unterschied zu den beiden anderen ein Eilzugwagen mit Mittelgang. Wie die beiden anderen wird er eines Tages grün lackiert sein.

Das Sorgenkind heißt Speisewagen

Kein Sonderzug ohne Speisewagen. Auch der steht schon bei den Eisenbahnfreunden. Weinrot, 1942 gebaut, bis Ende der 70-er im Dienst. Er ist zugleich das Sorgenkind der rund 100 IG-Mitglieder. Nicht dass er noch maroder wäre als Wagen Nummer 1. Bei ihm ist es die Küche, die Sorgenfalten hervorruft. Besser gesagt, die nicht mehr vorhandene Küche, denn selbige fehlt komplett. „Wir bräuchten nicht nur eine Menge Geld, sondern am besten ein Küchenstudio, das sich auf Industrieversorgung versteht“, träumt Daniel Reitmann. Denn eine neue Küche für einen Speisewagen muss trotz „historischer Anmutung“ modernsten Vorschriften in punkto Hygiene und Brandhemmung entsprechen. Das mit dem Geld wäre dagegen über Fördermittel durchaus stemmbar …

IG bw Dresden Altstadt Zugsanierung Dresdner Traditionszug
Auch Frauen können sich für den Wiederaufbau des Dresdner Traditionszuges begeistern, wie man sieht. Foto: Verein


Der Traum von der Jungfernfahrt 2025

Rund ein Drittel der Vereinsmitglieder steht fast jeden Samstag in der Werkstatt. Denn es gibt ein ganz großes Ziel: 2025, wenn die Lok mit dem Spitznamen „Schwungrad-Elli“ ihren einhundertsten Geburtstag feiert, soll sie mit dem ersten bis dahin fahrbereiten Wagen auf Jungfernfahrt gehen. Das wird jener Anhänger sein, der das Geschenk des alten Herrn aus dem Schwarzwald ist und für die Vereinsmitglieder wäre es eine große Ehre, wenn jener Senior (der natürlich selbst glühender Bahnfan ist) bei dieser Jungfernfahrt dabei sein könnte. Wann diese Fahrt starten könnte? „Steht noch in den Sternen“, sagt Daniel Reitmann. Aber träumen darf man ja und Ziele setzen ist wichtig … Für das Ziel dieser ersten Ausfahrt gibt es indes eine erste Idee: Richtung Hof, ins Bayerische, quasi nach Hause. Dahin, wo Elli von der königlich-bayrischen Staatsbahn einst in Auftrag gegeben wurde.


Woher das Geld für den Aufbau des Vereinszuges kommt – alles in allem rund eine halbe Million Euro ohne Speisewagen? „Wir haben viele Jahre gut gewirtschaftet, haben die Einnahmen aus unseren Dampflokfesten gespart. Und wir haben einige Sponsoren, die für kleines Geld viel leisten. Wir sind außerdem optimistisch, dass wir Fördermittel bekommen, um den Speisewagen eines Tages auf die Gleise stellen zu können“, so Reitmann.
Bis dahin wird geschraubt und wer Lust hat, kann samstags ab 9 Uhr mitmachen. Geschickte Hände sind immer gefragt.

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