Eine Orgel zum Preis eines kleinen Palais

Silbermann-Orgel Hofkirche Kathedrale
Silbermann-Orgel in der Katholischen Hofkirche Foto: Pönisch

Die Orgel in der Katholischen Hofkirche ist die letzte, die der große Orgelbaumeister baute. Vor über 60 Jahren kam das1944 ausgebaute Instrument in „Puzzleteilen“ nach Dresden zurück.

Es war nur eine sehr kleine Notiz, die am 12. August 1964 die Leser der Sächsischen Zeitung darüber informierte, dass „die Kathedrale zu Dresden … in den kommenden Jahren ihre alte Silbermann-Orgel wieder erhalten“ wird. Das Instrument war 1944 ins Kloster St. Marienstern ausgelagert worden, um es vor möglichen Kriegsschäden zu bewahren. Eine kluge Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Denn so entging dieses allerletzte Werk aus der Hand des schon zu Lebzeiten sehr berühmten Gottfried Silbermann der Zerstörung im Februar 1945. Zugleich ist es die einzige von vier Orgeln, die der Meister einst für Dresden baute. Eine stand in der Sophienkirche, eine in der Hofkapelle des Residenzschlosses Dresden (ehemaliges Opernhaus am Taschenberg), eine in der Frauenkirche und eine eben in der Katholischen Hofkirche.

Der Königinnen-Macher, ein Genie seiner Zeit

Wenn die Orgel als Königin der Instrumente gilt, dann ist Gottfried Silbermann (1683-1753) der Königinnen-Macher. Geboren in Kleinbobritzsch, aufgewachsen im nahen Frauenstein, ging er ab 1701 bei seinem fünf Jahre älteren Bruder Andreas im elsässischen Straßburg in die Orgelbauer-Lehre. Neun Jahre später musste er die Gegend verlassen. „Andreas pochte darauf, er fürchtete die Konkurrenz seines über alle Maßen begabten Bruders“, weiß Historiker Christoph Pötzsch. Und dann gab es noch einen weiteren Grund, warum Gottfried Silbermann letztlich wieder in Sachsen landete: Er hatte sich in Straßburg beim Bau einer Klosterorgel in eine Ordensschwester verliebt und wollte sie zur Flucht überreden. „Das bekam man mit und verwies Silbermann ziemlich unsanft aus dem Elsass.“ Eine neue Liebe fürs Leben fand der Orgelbauer offenbar nicht, denn er blieb zeitlebens unverheiratet und kinderlos.
Insgesamt schuf der Meister etwa 50 Orgeln. 31 davon sind in Sachsen noch erhalten. Silbermann wurde der bedeutendste Orgelbauer Mitteldeutschlands im Barock. Keiner prägte die Orgellandschaft so wie er. Und obwohl sein Wirkungsgebiet regional sehr eingeschränkt blieb, war sein Werk schul- und stilbildend – vor allem, weil seine Schüler und Mitarbeiter seine Bauprinzipien außerhalb Sachsens verbreiteten.
Doch Silbermann stellte nicht nur Orgeln her, sondern war auch ein begnadeter Erbauer von Cembali, Clavichorden und Hammerflügeln. Schon während seiner Lehr- und Gesellenzeit baute er mit seinem Bruder besaitete Tasteninstrumente. Später war er nicht nur maßgeblich an der Weiterentwicklung dieses Instrumenten-Bereichs beteiligt, sondern erfand auch neue Varianten. Darunter das „Clavessin d’amour“, das „Cimbal d’amour“ oder den Hammerflügel „Piano (et) Fort(e)“, mit dem er auf die Geschichte des Klavierbaus maßgeblichen Einfluss nahm.

Schloss Kathedrale Hofkirche
Blick auf die Kathedarle und das Renaissanceschloss in Dresden. Foto: Pönisch

Unverschämt teuer, weil clever verhandelt

Silbermanns Ruf war so groß, dass er natürlich auch den Auftrag für den Bau einer Orgel in der Katholischen Hofkirche bekam. Dafür verlangte der große Meister die unverschämt hohe Summe von 20.000 Talern. „Dafür bekam man in Dresden schon ein kleines Palais. Eine Orgel dieser Größenordnung wäre für 6.000 bis 7.000 Taler zu haben gewesen.“ Doch Friedrich August II. war bereit, diesen „Silbermann-Zuschlag“ zu zahlen. Und als der Vertrag per Unterschrift besiegelt war, kam Silbermann erneut um die Ecke. „Der Preis galt nämlich nur für das reine Orgelwerk, nicht für den Prospekt, also das kunstvolle Gehäuse“, so Christoph Pötzsch. „Das hatte der Dresdner Hof nicht beachtet und somit kamen noch einmal 1.500 Taler dazu.“


Der Bau der großen Orgel für die Dresdner Hofkirche begann 1750. Ihre Fertigstellung fünf Jahre später erlebte Silbermann nicht mehr, er starb 1753. Das Werk wurde von seinem ehemaligen Lehrling und Mitarbeiter Zacharias Hildebrandt vollendet, der bereits während der gesamten Bauzeit die Leitung des Projekts innehatte.
In den vielen Jahren danach wurde Silbermanns letztes Werk immer wieder repariert und „bearbeitet“. So stellte 1878 Carl Eduard Jehmlich eine gleichschwebende Temperierung her und hob die Stimmtonhöhe leicht an. 1937 erfolgten umfangreiche klangliche und technische Veränderungen. Die Firma Gebrüder Jehmlich Dresden baute sie schließlich von 1963 bis 1971 wieder auf. Eine Expertenkommission nahm das Instrument am 25. Mai 1971 ab. In der „SZ“ war zu lesen: „Der Klang der Orgel steht den Vorstellungen Silbermanns heute näher, als dies nach zahlreichen dem Werk zum Schaden gereichenden modernisierenden Veränderungen vor dem Ausbau der Fall war“. Endgültig wurde die Orgel 2002 nach einer umfassenden Rekonstruktion auf die barocke Stimmung zurückgebaut, so dass heute der Sibermannsche Klang wieder uneingeschränkt zu genießen ist.

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