Requiem für Europa“ hat Regisseur Oliver Frljic seine Uraufführung am Kleinen Haus in Dresden genannt. Doch außer reichlich fleischlichem Zeus-Europa-Bezug, etwas bemühter Dresden-Symbolik, einer zu wenig ausgeleuchtetenSerbien-Krieg-Andeutung, einem allgemeinen Araber-Text und Luthers Antisemitismus lässt das Stück einen komplexen Blick auf das übergroße Resteuropa vermissen.
Stattdessen lebt die Clownsnummernfolge von Haudrauf-Provokation, ist entweder zu laut oder zu leise. Trotz oder wegen der Mikroports, lernen Schauspieler etwa kein Bühnensprech mehr?
Sebastian Pass, der Neue aus Österreich gesteht übrigens, er sei jetzt in Dresden, weil er es zu Hause nicht geschafft hat. Das erstaunt, denn Publikumsbeschimpfung kann er doch ganz gut. Provozieren ließ sich am Premierenabend aber keiner.
Nicht überhoben hingegen hat sich der Stückeschreiber mit dem Requiem im Titel. Tatsächlich lässt er – orchestral oder von Arien untermalt und bis zur Schmerzgrenze in Zeitlupe – die von Anfang an totgeborene EU-Idee feierlich unfeierlich zu Grabe tragen.
Zu einem Auflösen-Neugründen-Optimismus ist der vormalige Intendant des Kroatischen Nationaltheaters auch gar nicht angetreten. „Im Augenblick sind alle meine Gedanken zu Europa recht dystopisch“, antwortet er in einem Interview mit Michael Isenbergauf die Frage nach Hoffnung und stellt die Gegenfrage: „Gibt es im derzeitigen Europa irgendeine Idee, die es wert wäre, dafür zu sterben? Die Antwort, die zugrunde liegende Ethik, wäre die Ästhetik von morgen.“ Auch im Stück fragt eine der abgerissenen, rotnasigen Gestalten: „Wie sieht Europa aus, wenn sie tot ist, was entsteht danach?“ Damit endet Frljics Zukunftssuche.
Er fragt sich nicht mal, warum die meisten Europäer gar nicht sterben wollen, schon gar nicht für etwas so Flatterhaftes wie Ideen, die sich nach immer schneller wechselnden Regimes als die falschen herausstellen. Warum Menschen leben wollen und zwar nicht nur überleben, sondern gut leben. Wirtschaftsflüchtlinge und Straßenlärm machen es unüberhörbar. Sobald sie gut leben im Sinne eines gewissen Wohlstands, wollen viele junge Europäer auch richtig leben und denken darüber nach, was darunter künftig zu verstehen wäre.
Doch Frljic nimmt Symptomatik als zu bekämpfende Ursache und fordert vom Publikum Stellungnahme gegen Pegida. Schweigen. Schließlich bezog Eric Hattke von „Dresden für alle“ Position.
Benjamin Pauquet sei Dank, dass die Schwarz-weiß-Malerei wenigstens an dieser Stelle differenziert wird, indem er aus seiner Rolle tritt und von Kollegen erzählt – übrigens sauberes, multifunktionales, symbolhaftes Handwerk, gute Bühnen-, Licht- und Tontechnik, was Freude macht –, von deren Arbeit er abhänge, im Wortsinn, wenn er am Strick vom Bühnenhimmel herabbaumle. „Ich brauche den Job, Frljic! Ich soll euch fragen, ob ihr die Namen wissen wollt.“ Vorhang.
22.11., 13. und 21.12., jeweils 19.30 – 20.45 Uhr, Karten zu 18 Euro: Tel. 0351 4913555
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