Die Kabarettisten der Herkuleskeule wollen auch künftig keinen Wachschutz in der Vorstellung.
Dresdens Kabarett Herkuleskeule war in den vergangenen Tagen deutschlandweit im medialen Fokus: Eine Gruppe offenbar rechtsgerichteter Störer aus Cottbus hatte die Sonnabendnachmittag-Vorstellung mit ausländerfeindlichen Rufen gestört und einem der Schauspieler ein Bierglas an den Kopf geworfen. Er blieb zum Glück unverletzt – aber die Frage nach dem Zustand der politischen Diskussionskultur hierzulande steht umso mehr im Raum. Die DAWO! sprach dazu mit Phillipp Schaller, seit Januar künstlerischer Leiter der Keule und Autor des Stücks „Betreutes Denken“, das an diesem Nachmittag gespielt wurde.
Herr Schaller, mit welchen Gefühlen steht man nach einem solchen Vorfall in der nächsten Vorstellung auf der Bühne?
Dass unsere Kollegen das Programm nach einer kurzen Pause weitergespielt haben, ist ihnen wirklich hoch anzurechnen. Aber es ist auch ein deutliches Zeichen! Da sind einige Leute offenbar extra angereist, um zu stören, was ihnen ja auch gelungen ist. Aber die Schauspieler haben sich nicht einschüchtern lassen: Genau das zeigt der Schritt zurück auf die Bühne!
Gerade die Texte der Herkuleskeule zeichnen sich ja dadurch aus, sich nicht auf bestimmte Politiker oder Parteien „eingeschossen“ zu haben, sondern tiefgründig die Gesellschaft in all ihren Problemen zu beleuchten. Warum kommen rechte Kreise offenbar gezielt verabredet, um Ihr Programm zu stören?
Ja, wir sind politisch differenziert – aber mit Blick auf die AfD beziehen wir auch klar Stellung. Wir kritisieren offen, dass es in dieser Partei völkische und nationalistische Tendenzen gibt, dass man sich dort auch – erstrecht seit der Flügel um Höcke immer mehr an Einfluss gewinnt – durchaus faschistischer Sprache bedient. Was mich aber wirklich nachdenklich stimmt, ist, dass die AfD die Sicht in die Gesellschaft treibt: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns – und alle, die kritisch mit der AfD umgehen, seien automatisch links. So soll offenbar versucht werden, eine kritische Auseinandersetzung zu erschweren. Aber davon darf sich bitte niemand beeindrucken lassen.
Das Publikum hat sich mit den Schauspielern solidarisiert, hat ebenfalls die Störer aufgefordert zu gehen …
… das zeigt deutlich, dass die Tendenz zunimmt, ? rechten Parolen offen zu widersprechen. Und man kann und darf eben auch nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass es dieses Widersprechen auch in Dresden gibt!
Sie deuten es an: Ist das Geschehen–auch, wenn die Randalierer aus Cottbus kommen – Wasser auf die Mühlen derer, die gern mit dem Finger auf Dresden zeigen und die komplette Stadtgesellschaft mit Verweis auf Pegida in die rechte Ecke stellen?
Ich habe eine Menge Mails und Anrufe bekommen, in denen es hieß: Wieder wird Dresden dadurch ins rechte Licht gerückt. Wir müssen einfach den richtigen Weg finden, einerseits nichts herunterzuspielen, andererseits darauf zu verweisen, dass es in Dresden auch andere Sichtweisen gibt! Die leider nicht erfolgreiche Bewerbung als Kulturhauptstadt war da ein wichtiger Schritt. Hier haben sich viele positive Ideen und Akteure zusammengefunden.
Wie werden Sie sich künftig auf solche Störungen vorbereiten?
Wir werden uns überlegen, wie wir künftig auf der Bühne reagieren, wenn wieder etwas Ähnliches passieren sollte. Aber wir wollen und werden jedenfalls keinen Sicherheitsdienst oder gar die Polizei in die Vorstellungen setzen. Das wäre gerade für ein politisches Kabarett, in dem die Zuschauer angstfrei denken und lachen sollen, kontraproduktiv. Kunst unter Aufsicht kann nicht funktionieren.
Sie sagten anschließend, Diskussionen sind gewollt, aber nicht mit Biergläsern. Wann und wie laufen Diskussionen in der Keule üblicherweise?
Nach den Vorstellungen werden zum Beispiel DVD verkauft, da kommen wir mit den Besuchern ins Gespräch. Einige erzählen uns dann durchaus offen, dass sie AfD wählen und auch warum. Natürlich diskutieren wir da, allerdings auf einem vernünftigem Niveau – und so muss es auch sein. Wir vertreten in unseren Programmen Pluralismus und Demokratie, da gehört Diskussion unbedingt dazu. Aber ganz klar nicht mit Biergläsern!
Ist das Publikum in den vergangenen Jahren anders geworden, in Zeiten einer zunehmend verrohten Diskussionskultur vor allem in den sozialen Netzwerken?
Diese ruppige Auseinandersetzung ist natürlich auch bei uns zu spüren. Da gibt es schonmal Zwischenrufe oder Leute, die den Saal verlassen. Auch auf unserer Facebookseite lassen sich einige Zeitgenossen übel aus. Soziale Netzwerke sind aus meiner Sicht aber denkbar ungeeignet, vernünftige Diskussionen zu führen, da sich Menschen dort anonym fühlen und Dinge loslassen, die mit Diskussionskultur nichts mehr gemeinhaben. Ich selbst bin seit gut einem Jahr nicht mehr privat bei Facebook, weil ich dieses Niveau nicht mehr ertragen habe.
Das Ziel der Störer war es ja offensichtlich, Kabarettisten einzuschüchtern. Werden Sie künftig ins ungefährlich oberflächliche Lustigsein wechseln oder Themen wie Rechtspopulismus aussparen?
Nein, natürlich nicht. Wir werden auch künftig differenziert bleiben in unserem Blick auf die Gesellschaft. Wir werden mit dem Herzen und dem Hirn schauen, was in der Welt passiert. Man muss einfach verschiedene Perspektiven in die Waagschale werfen, damit man sich eine Meinung und Haltung bilden kann.
GESPRÄCH: JENS FRITZSCHE
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