Eigentlich hätte schon 2020 das 50. Festival stattfinden sollen. Stattdessen kam Corona und verhinderte auch 2021 die große Jubiläumssause. 2022 heißt deshalb das Motto „Aller guten Dinge sind drei“.
Die Mathematik kann durch ein Coronavirus nicht verbogen werden“, sagt Joachim Schlese. Und weil das so ist, feiert Dresden vom 15. bis 22. Mai das 50. Dixieland Festival, das eigentlich schon vor zwei Jahren hätte stattfinden sollen. „Aber auf die 49 folgt nun einmal die 50, auch wenn zwei Jahre dazwischen liegen“, sagt der Festivalleiter, mit dem sich DAWO zum Interview traf.
Herr Schlese, Sie haben das Dixieland Festival 1971 mit Erich Knebel und Karlheinz Drechsel aus der Taufe gehoben. Was ging in Ihnen vor, als ausgerechnet das 50. Festival Corona zum Opfer fiel?
Als das Virus hier angekommen war und Mitte März der erste Lockdown beschlossen wurde, da war uns schnell klar, dass das Festival auf keinen Fall stattfinden kann. Man muss sich ja nur mal die Zahlen vor Augen halten: Acht Festivaltage mit fast 300.000 Besuchern – wie sollte das gehen? Also schrieb ich schon am 30. März 2020 an den Dresdner OB einen Brief mit dem Vorschlag, das Jubiläumsfest um ein Jahr zu verschieben.
… und dann kam 2021, Corona war immer noch da und Dixieland fand wieder nicht statt.
Stimmt, das war eine riesige Enttäuschung. Nicht nur für die Fans und die Künstler, auch für mich persönlich. Denn wieder musste alles abgesagt, wieder alles rückabgewickelt und wieder alle vertröstet werden auf das nächste Jahr. Das war schon bitter, denn das hatten wir so nicht auf dem Schirm, dass sich die Pandemie so hartnäckig halten sollte. Ich habe ja in 49 Festival-Jahren schon vieles erlebt und jedes Jahr gab es Situationen, wo ich dachte, „das kann doch nicht wahr sein“, aber mit zwei Absagen hintereinander hätte ich nie gerechnet.
Was für Situationen gab es denn in der Vergangenheit, die Ihnen vielleicht damals den Schlaf geraubt haben?
Da fällt mir spontan das Jahr 1975 ein, es war das 5. Dixieland Festival, als erstmals eine Band aus der BRD zu Gast war. Addi Münsters Old Merrytale Jazzband aus Hamburg, so der Hinweis von „oben“, sollte aber nicht als letzte Band eines Konzerts auftreten, damit sie zum Abschluss des Abends nicht den meisten Beifall bekämen. Als ob Publikum nach Ländern und Gesellschaftsordnungen applaudiert hätte.
Als 1980 das Festival ganz offiziell unter Parteikontrolle gestellt wurde, bekamen wir die Anweisung, Ost- und Westgruppen nicht in denselben Hotels unterzubringen. „Ostler“ mussten im Hotel Königstein schlafen, „Westler“ im Newa.
Und richtig absurd wurde es, als 1981 das gesamte Festival wegen seines inzwischen enormen Erfolges über die DDR-Grenzen hinaus gleich ganz nach Berlin verlegt werden sollte. Aber da hatte die SED-Leitung nicht mit dem Widerstand der Dresdner gerechnet.
Und was waren für Sie Gänsehautmomente im positiven Sinn?
Auch hier muss ich sagen: Es gab jedes Jahr auch Momente, die mich unglaublich glücklich gemacht haben. Zum Beispiel, als 1980 erstmals eine Band aus den USA in Dresden auftreten durfte, deren Art zu spielen war Emotion pur. Oder die erste Gospelvesper in der Kreuzkirche, ebenso die Gala in der Semperoper anlässlich des 45. Dixieland Festivals.
Wie optimistisch sind Sie, dass das 50. nun wirklich in diesem Jahr gefeiert werden kann?
Da bin ich sehr optimistisch. Alle Spielstätten sind gebucht und stehen bereit, alle Bands haben zugesagt und reisen an. Bis auf eine traurige Ausnahme, denn die Moscow Ragtime Band kann nicht herkommen, da es keine Flüge aus Moskau gibt. Da nun auch die Corona-Maßnahmen gelockert werden, bin ich zuversichtlich, dass wir vom 15. bis 22. Mai endlich wieder Dixieklänge in ganz Dresden hören werden.
Sie gelten ja als Macher, als ideenreicher Organisator – wie schwer ist es Ihnen denn persönlich gefallen, in den letzten zwei Jahren kaum etwas in Punkto Kultur machen zu können, also sozusagen die Füße stillzuhalten statt zu jazzigen Klängen zu wippen?
Das war ehrlich gesagt tatsächlich eine neue Erfahrung. Aufstehen können ohne einen übervollen Terminkalender auf dem Tisch liegen zu haben, das kannte ich seit dem ersten Festival 1971 nicht mehr. Aber ich muss gestehen: Ein wenig habe ich die Ruhe auch genossen, die lange Zeit der Zweisamkeit mit meiner so traumhaften Frau Carmen, das war richtig toll und tat uns beiden von Herzen gut. Meine Frau hat übrigens die Zeit genutzt und ihre Ausbildung zur Fachtrainerin für Sportmedizin im Reha-Bereich absolviert. Mit Abschlussnote Eins, was mich schon sehr stolz macht.
Zurück zur Gegenwart: Bisher war es ja so, dass Sie im laufenden Jahr mindestens schon das übernächste Festival im Kopf und in der Planungsphase hatten …
Auch das ist dieses Jahr anders, ich denke nicht an das 51. oder 52. Festival, sondern tatsächlich nur daran, dass wir endlich unser 50-jähriges Jubiläum feiern können. Alles andere kommt nach dem letzten Konzert am 22. Mai.
Aber einen Tipp hätten Sie schon, wie das Dixieland Festival auch in den nächsten 50 Jahren aussehen könnte?
Wenn die Mischung beibehalten wird, mit der wir schon seit vielen Jahren gut fahren, dann dürfte dem Festival noch viele Jahre lang viel Erfolg vergönnt sein. Mit Mischung meine ich die Balance zwischen bewährten Bands und Musikstilen sowie neuen, jungen Gruppen und Big Bands, die frischen Wind mitbringen. Unser Festival ist ja genau deshalb das erfolgreichste dieser Art weltweit, weil wir dem Publikum jedes Jahr etwas Neues und eine unglaubliche Bandbreite an Jazzmusik gepaart mit einer Vielfalt an Spielstätten bieten. Damit treffen wir offenbar den Nerv der Besucher.
Was ich mir noch wünsche: Einmal im Rudolf-Harbig-Stadion Dixieland feiern. Diesen Traum habe ich schon lange und vielleicht gibt es ja irgendwann eine Lösung zwischen laufendem Fußballspielbetrieb und einer Dixie-Veranstaltung.
Mit Joachim Schlese unterhielt sich Carola Pönisch
Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer Serie über die Geschichte des Internationalen Dixieland Festivals. Nächste Woche lesen Sie „Wie alles begann“
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