Klax feiert 35-jähriges und Wolle Förster lässt sich von Olivia Jones interviewen

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Ein Herz und eine Seele: Olivia Jones und Wolle Förster Foto: Pönisch

Am 20. Dezember 1990 eröffnete Wolle Förster seine Nachtbar „Klax“. 35 Jahre später erinnert er sich mit Drag Queen Oliva Jones an verrückte Zeiten und schräge Geschichten

Sie kamen alle. Ob Promi, Künstler, Neu-Schickeria, Vertreter, Politiker, Ostaufbauer aus dem Westen oder Normalos aus Dresden: Im Klax auf der Leipziger Straße gaben sich alle die Klinke gern in die Hand. Oder wie Besitzer Wolle Förster es ausdrückt: „Vom Bänker bis zum Bankräuber, vom Versicherungsvertreter bis zum Versicherungsbetrüger.“ Nicht zu vergessen ganz besondere Hausfrauen, die ab den 2000ern blank zogen und damit eine legendäre Ära einläuteten.
Natürlich waren die meisten Besucher seriöse Zeitgenossen. Gäbe es ein Gästebuch, wären darin unter anderen Olivia Jones, Eberhard Cohrs, Axel Bulthaupt, Frank Zander, H.P. Baxxter (Scooter), Paul Panzer, Dschungel-Königin Melanie Müller, Daphne de Luxe, Uwe Steimle, Rainer König, André Sarrasani, Mario Müller Milano und Rex Gildo zu finden.
Manche waren nur einmal da, andere deutlich öfter. Wie zum Beispiel Olivia Jones, Deutschlands größte und bekannteste Drag Queen. Erst kurz vor Weihnachten saß sie wieder im Klax, um mit Wolfgang Wolle Förster die vergangenen 35 Jahre Revue passieren zu lassen. Wobei dabei etwas zu beobachten war, was die Grand Dame der Travestie und des Drag wahrscheinlich selten erlebt: Die wortgewandte Kunstfigur (die eigentlich Oliver Knöbel heißt) kam auf dem Sofa neben dem Dresdner Nachtklub-König relativ wenig, dafür umso schlagfertiger zu Wort. Denn Wolle hat halt viel zu erzählen aus 35 Klax-Jahren.
Wie alles begann
Als die Wende kam und sich eine neue Welt der tausend Möglichkeiten auftat, fasste der damals 36-jährige Dresdner Berufsmusiker Wolle die Gelegenheit beim Schopfe: Er wollte ins Spielautomatengeschäft einsteigen. Die marode Bruchbude an der Leipziger Straße 131/Ecke Sternstraße schien dafür sehr geeignet. „Das war schon um 1920 herum eine Fleischerei, ein alter großer Fleischwolf stand noch auf dem Hof, als wir hier mit bauen angefangen hatten“, erinnert sich Wolle. Weil er damals nicht wusste, wie und wohin er das schwere Fleischverarbeitungsgerät abtransportieren konnte, „haben wir einfach ein großes Loch gegraben und das Ding versenkt“. Heute bildet es quasi ein stabiles Fundament für den Klax-Bau.
Noch in der Bauphase entschied sich Wolle um. Statt Automaten sollten Barhocker in das umgebaute Haus einziehen, statt einarmige Banditen sollten feucht-fröhlich feiernde Menschen für Umsatz sorgen. Weil nun aber schon ein Spielautomat angeschafft war und der vom Hersteller den Namen Klax verpasst bekommen hatte, hieß die am 20.12.1990 eröffnete Nachtbar kurzerhand genauso. „Der Spielautomat steht übrigens immer noch hier und funktioniert“, sagt Förster.

Olivia Jones betrat das Etablissement erstmals 1994. Längst nicht so wunderschön „drag“ wie heute, aber doch schon wunderschön schräg und lustig, wie alte Videoaufnahmen zeigen. Als Gage gab’s damals 500 D-Mark. „Das war schon gutes Geld. Ich fand das hier herrlich und bin immer wieder gern hergekommen seitdem. Die Dresdner sind schon ein sehr lustiges Publikum, die gehen nicht zum Lachen in den Keller“, sagt die Drag Queen. Überhaupt sei der Osten längst nicht so prüde und verklemmt, wie er im Westen gern dargestellt wird. „Im Gegenteil, in Dresden erlebe ich bis heute ein perfektes Travestiepublikum – sehr offen, entspannt, locker und liebenswert.“

Wolle Förster avancierte mit seinem Club jedenfalls schnell zum Nachtklubkönig. Natürlich ging es hier heiß her. „Schließlich waren sehr viele Wessimänner in Dresden, die viel Geld verdienten und es fern von zu Hause ordentlich krachen ließen.“ Sekt statt Selters und nackte Haut statt Hausmannskost war die Devise. Inzwischen liegt die Frauenquote, was das nächtliche Publikum angeht, bei 30 bis 40 Prozent. Und als dann um das Jahr 2000 herum aus einer Laune heraus der Hausfrauen-Strip entstand und sich über viele Jahre zum festen Clubformat entwickelt hat, war die Legende Klax geboren. „Das hat mich damals ja auch so beeindruckt. Wie sich die Frauen hier an der Stange präsentiert haben – egal mit welcher Köperform, welchem Alter und welchem Aussehen. Heute nennt man das Body Positivity“, sagt Olivia Jones anerkennend. Damals habe sie für ihre eigene Karriere von Wolle gelernt, „immer mit Herz dabei sein und den persönlichen Kontakt zu seinen Gästen zu pflegen“.

Ein kleines Imperium an legendären Clubs

Für den Unternehmer Förster war das Etablissement neben dem Straßenbahnhof Mickten nur der Anfang. Im Laufe der Jahre kamen weitere Amüsiertempel dazu wie 1992 das Apollo, Dresdens 1. Schwulendisko auf der Oskar-Mai-Straße, die Gaststätte Knast, in der die Kundschaft ab 1996 Erlebnisse aus Knast verarbeiten sollten und die mit Inventar aus der U-Haft in der Schießgasse ausgestattet war. Oder die Erlebniskneipe „Jux“ in Freital, die einem American Pub nachempfunden war, gefolgt 1997 von der legendären Diskothek Banana im Elbepark, in die er 2,3 Mio DM investierte und der Nachtbar „Flirt“ am Hauptbahnhof. All diese Locations sind längst Geschichte, wurden nach einigen Jahren wieder verkauft – nur das Klax ist bis heute eine feste Adresse für nächtliches Barvergnügen mit leicht frivolem Hauch. Auch wenn sich längst keine Hausfrauen mehr ihrer Hüllen entledigen. „Das waren damals eben völlig andere Zeiten“, sind sich der Nachtklubkönig und die Drag Queen einig.
Heute gibt es einen zusätzlichen „Klax-Club-Partyraum“, den man mieten kann. Ob Junggesellenabschied, Geburtstage, Firmenjubiläum oder die lang ersehnte Scheidung.

Multiunternehmer mit vielen Angestellten

Heute arbeiten 52 Mitarbeiter in fünf Unternehmen für den mittlerweile 70-Jährigen. Es gibt die Wolle Projekt GmbH, das Sachsen-Automaten-Team, die Wolle-Werbung, die Sechste MWAT-Games UG und die Wolle Betriebs GmbH. Diese betreibt das „Sushi & Wein“ auf der Maxstraße mit Restaurant, Catering, Lieferservice und den legendären Sushi-Lehrgängen, in denen kürzlich der 13.642. Teilnehmer begrüßt wurde.
Ob Nachtbar, Spielhalle oder Lampenverkauf, ob Sushi-Lokal oder Imbiss – der meist autodidaktisch arbeitende Seiteneinsteiger ist sich selbst treu geblieben. Ehrlich, zugewandt, hilfsbereit und immer noch so schön schräg und paradiesvogelhaft wie am Anfang. „Dabei steht und fällt alles mit den Mitarbeitern“, betont der vielseitige Unternehmer. „Ohne die Dresdner und ohne meine Mitarbeiter – und die meisten von ihnen sind ja auch Dresdner – hätten wir den 35. Geburtstag des „Klax“ nicht geschafft.“

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