Heinrich Manns Untertan am Dresdner Theater

Jannik Hinsch entwickelt die Figur des Diederichs Heßling überzeugend im Verlauf des Abends, sein inneres Kind verkörpert die Puppe Diedel, genial gespielt von Michael Pietsch. Foto: Sebastian Hoppe
Jannik Hinsch entwickelt die Figur des Diederichs Heßling überzeugend im Verlauf des Abends, sein inneres Kind verkörpert die Puppe Diedel, genial gespielt von Michael Pietsch. Foto: Sebastian Hoppe

Eine Puppe ist der Star des Abends. Wie die Diedel-Marionette mit den großen Augen blinkert und rollt, wie Puppenbauer Michael Pietsch mit verfremdeter Piepsstimme ihren Part spricht, das fasziniert. „So haben wir die Möglichkeit, in Diederichs Kopf zu kommen und seinen Gedanken zuzuhören“, begründet Regisseur Jan-Christoph Gockel den Einsatz der Puppe im Stück „Der Untertan“.

Das Konzept geht auf. Heinrich Manns Idee, gleichzeitig das Weiche und das Gewalttätige einer Figur zu erzählen und so ein komplexes Psychogramm zu zeichnen, ist in der abendfüllenden Inszenierung des Staatsschauspiels gut nachvollziehbar. „Dieser Unterdrücker, der nach oben buckelt – nach unten tritt, ist eben auch von tiefer Romantik, von großer Sehnsucht und Angst geprägt“, so Gockel. So ist es sicher kein Zufall, wenn am Montag in Dresden auf dem Spielplan stehend, Einführung und Publikumsgespräch das Stück flankieren. Denn es lässt an Aktualität nichts zu wünschen übrig.

Da wird alles vorgeführt: der Wunsch nach Zucht und Ordnung, der Drang nach einer anbetungswürdigen Macht, das Gefühl, als Mitläufer in der Masse stark zu sein, die Bewertung von Menschen einzig nach Nutzen, Leistung oder Vermögen. Da wird das duckmäuserisch-großschnäuzige Spießertum so analysiert, dass man Gemütlichkeit und Kohlsuppe, Bier und Bratwurst förmlich riechen kann. Da werden Doppelmoral, Bestechlichkeit und Sado-Maso-Erblichkeit aufgezeigt, dass es anekelt.

Während die deutsche Mentalität der Vorkriegszeit mit falschem Patriotismus, Rücksichtslosigkeit und Eigensucht genau seziert wird, kommt Politisches nur plakativ rüber, der Subtext „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“ ist fast hörbar. Den Juden Buck junior spielt Lukas Rüppel nuancenreich und mit Humor. Das Besäufnis vorm Vorhang ist einfach köstlich.

Großartig ist auch das Bühnenbild (Julia Kurzweg), das als Drehgebäude alle Szenerien vereint. Lob verdient auch der Livemusiker Anton Berman, dessen Klang-, Geräusch- und Melodiekulisse stets bescheiden dem Werk dient.
Julia Weinreich ist eine Dramaturgie gelungen, die – abgesehen von der langatmigen Kaiserbegegnungsszene – die Länge von knapp 3,5 Stunden mit Pause vergessen macht. Fazit: Tolle Dialoge, tolles Ensemble, muss man gesehen haben. Una Giesecke

Mo., 17.9., 19.30 Uhr, zuvor Einführung und anschl. Publikumsgespräch; So., 30.9., 19 Uhr,
Karten ab 11 Euro unter Tel. 0351 4913555 oder www.staatsschauspiel-dresden.de

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