Die Forscher der Nationalen Akademie der Wissenschaften haben in der Corona-Krise bereits ihre vierte Stellungnahme veröffentlicht. Hatte sie sich zuvor beispielsweise mit Schulen, Kindertagesstätten oder der Wirtschaft befasst, wendet sich die Leopoldina nun dem Gesundheitswesen zu. Hier finden die Experten sowohl lobende als auch kritische Worte und mahnen zur Durchführung notwendiger Veränderungen.
Leopoldina: Nach guter Reaktion die Versorgung verbessern
Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina zeichnet sich in diesen Tagen verantwortlich für wegweisende Stellungnahmen und Ratschläge. An der Ausarbeitung der Veröffentlichung beteiligen sich namhafte Wissenschaftler aus zahlreichen Sektoren. Sie betonen dabei stets, dass ihre Empfehlungen keinen bindenden Charakter haben und dass die Entscheidungsgewalt letztlich in den Händen der Politik liegt.
In ihrer jetzigen Stellungnahme befasst sich die Leopoldina mit dem Gesundheitssystem. Sie starten mit einer zweigeteilten Aussage, die sowohl die Schattenseiten als auch die Glanzpunkte des Umgangs mit Corona in Deutschland zeigt. So sei die Krise in der Bundesrepublik aufgrund des zielgerichteten Handels bisher besser verlaufen als in anderen Ländern. Durch die schnelle Umstrukturierung des Gesundheitssystems und die Vorbereitung auf viele COVID-19 Patienten, seien andere Bereiche allerdings in den Hintergrund gerückt.
Abgesehen von zahlreichen Tipps zur konkreten Umstrukturierung heben die Wissenschaftler in der Veröffentlichung die Wichtigkeit des medizinischen Fachpersonals hervor. Dieses sei entscheidend für Qualität und Patientenwohl in der Versorgung, weshalb es in der Zukunft
- gesellschaftliche Wertschätzung,
- angemessene Entlohnung,
- attraktive Ausbildungsstrukturen
- und gute Arbeitsbedingungen
brauche. Den nötigen Fokus auf gutes Personal und einen wertschätzenden Umgang betonen Pflegekräfte und Ärzte in Sozialen Medien immer wieder.
Neues Personal spielt ebenfalls eine Rolle, um Schlüsselwerte in der Versorgung zu optimieren und Überlastungssituationen zu vermeiden. Gerade während der Corona-Krise haben viele Kliniken die Personalsuche auf ein Minimum reduziert. Zuletzt wurden jedoch wieder erste Schritte in die richtige Richtung unternommen, was sich anhand steigender Ausschreibungen auf Plattformen wie medi-karriere.de zeigt.
Medizinische Versorgung: Eine Umstellung ist erforderlich
Die Leopoldina spricht in ihrer Stellungnahme von einer Verlagerung im Gesundheitssystem, bei der aufgrund des Ausbaus von Corona-Kapazitäten Verschlechterungen im Bereich jener Patienten entstanden sind, die nicht an COVID-19 leiden. Dies gilt nicht nur für die Akutversorgung, sondern auch für Präventionsmaßnahmen, die aufgrund der Krise unterbrochen werden mussten, sowie für die Forschung.
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, sprechen sich die Wissenschaftler für eine zügige Wiederaufnahme der umfassenden Patientenversorgung aus. Da die Pandemie weiterhin bestimmender Faktor in der medizinischen Versorgung bleiben wird, muss ein Weg gefunden werden, um beide Seiten bedienen zu können. Aus diesem Grund erachtet die Leopoldina
- das Vorhalten von Kapazitäten,
- ein SARS-CoV-2 Frühwarnsystem in Kliniken und auf regionaler Ebene
- und einen bedarfsgerechten Einsatz von Personal, Räumen und Technik für die Behandlung von Corona-Patienten
als notwendig. Ebenfalls müsse auf zielgerichtete Testung und die Arbeit an einem stärkeren Vertrauen in die Gesundheitsversorgung gesetzt werden.
An dieser Stelle betonen die Experten, dass die Sicherung der Qualität in der Versorgung von Kranken in Krisenzeiten eine staatliche Aufgabe ist und dass vor allem Universitätsklinika in diesem Zusammenhang bedeutende Arbeit leisten können.
Die Corona-Krise bleibt trotz der sich aktuell entspannenden Situation eine dynamische Herausforderung. Lokale Ausbruchsgeschehen können die Lage in einzelnen Regionen schnell verändern, weshalb viele Menschen die voranschreitenden Lockerungen kritisch beobachten. Auch in Sachsen gibt es seit dem 6. Juni weitere Neuerungen.
Welche Punkte die Leopoldina Wissenschaftler betonen
Wie bereits in den vergangenen Stellungnahmen bleibt die Leopoldina dem Leser konkrete Handlungsempfehlungen nicht schuldig. So sprechen sich die Forscher dafür aus, eine hochwertige und ethisch verantwortliche Versorgung von Patienten auf wissenschaftsorientierter Basis aufzubauen.
Darüber hinaus sollten Einrichtungen im Gesundheitswesen künftig ihre eigenen Aufgabenbereiche erhalten und personell bedarfsgerecht ausgestattet werden. Im Rahmen fortschreitender Digitalisierung solle es außerdem möglich werden, dass sich ambulante und stationäre Einrichtungen miteinander vernetzen. Das übergeordnete Ziel dieser Maßnahmen soll ein Gesundheitswesen sein, in dem ein besonders flexibles Reagieren auf Veränderungen möglich bleibt, ohne dass sich die Versorgung in anderen Bereichen verschlechtert.
Im Konkreten benennen die Wissenschaftler Aspekte wie eine zentrale Erfassung von freien Behandlungsplätzen, die regional koordiniert werden können. Dies solle nicht nur die Intensivmedizin betreffen, sondern weitere Bereiche. Das Personal in Einrichtungen müsse nicht nur selbst in adäquater Anzahl vorhanden sein und regelmäßig geschult werden, sondern mit passender technischer Ausstattung und Schutzausrüstung arbeiten können. Hier könnte eine zentrale Reserve laut Leopoldina eine Option darstellen.
Interessant ist ferner, dass die Experten digitale Hilfsmittel und Optionen wie die Telemedizin als Lösungsansätze thematisieren, die das Risiko von Infektionen vor Ort senken. Auch hier könnte ein Ausbau der Strukturen in der Zukunft Abhilfe schaffen. Eine weitere Handlungsempfehlung bezieht sich auf Veränderungen des Fallpauschalen-Systems, das künftig zwar weiterhin seinen Leistungsbezug behalten, jedoch von Fehlanreizen befreit werden solle.
Welche der Ratschläge, die die Wissenschaftler in ihrer Stellungnahme veröffentlicht haben, zukünftig umgesetzt werden, bleibt unklar. Fest steht jedoch: die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems könnte sowohl für die Angestellten als auch für die Patienten Vorteile mit sich bringen und das System für künftige Krisen wappnen.
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