Die Herkuleskeule wird 60 – und kann nicht feiern. Aber in einer spannenden Podcastreihe erzählen Akteure zahlreiche Anekdoten. Die DAWO! hörte schon mal rein …
Dass ausgerechnet das damals eher unkritische Neue Deutschland dafür gesorgt hat, dass in der Dresdner Herkuleskeule seit nun schon über 50 Jahren einer der kritischsten, mutigsten und klügsten Kabarettisten und Autoren des Landes zu erleben ist, gehört zu den zahlreichen spannenden Anekdoten aus dem Leben Wolfgangs Schallers. Seit 1970 ist er Autor an der Keule, wurde 1988 deren künstlerischer Leiter und schrieb über 50 Kabarettstücke, die weit über das Elbtal hinaus für Aufsehen und Begeisterung sorgten. Und sorgen.
Eigentlich würde das – aber nicht nur das – ja dieser Tage auch kräftig gefeiert. Denn die Herkuleskeule blickt bekanntlich in diesem Mai auf immerhin 60 Jahre Historie zurück. Aber gefeiert wird dieses Gründungsjubiläum eben nicht. Corona sorgte dafür, dass das Jubiläum erst im kommenden Jahr nachgeholt wird. Doch die Keule wollte dennoch ein Jubiläums-Lebenszeichen aus dem Kabarettkeller im Kulturpalast senden – und schickt nun jede Woche einen Teil einer kleinen Podcast-Reihe unter dem Titel „Keulenspiegeleien“ auf die Reise. Darin werden von den Keule-Akteuren Geschichten aus der Keulen-Geschichte erzählt.
„Ich nehme zunehmend Maßregelimpulse wahr“
In der ersten Folge berichten Wolfgang Schaller und sein Sohn Philipp Schaller unter anderem, wie sie das mit der nicht immer ganz so einfachen Zusammenarbeit regeln, nachdem Philipp Schaller 2020 die Nachfolge als künstlerischer Leiter angetreten hat. Und natürlich haben die beiden Kabarettisten auch eine sehr klare Sicht auf die Meinungs- und vor allem Kunstfreiheit mit Blick auf die Video-Aktion zahlreicher Schauspieler in Sachen Corona-Politik. „Es ist völlig unerheblich, ob ich das gut oder schlecht finde, aber die Künstler dürfen das und sie müssen es sogar“, findet Philipp Schaller. „Ich nehme zunehmend einen Maßregelimpuls wahr – aber es ist die Aufgabe von Satire, Grenzen zu überschreiten, ohne Angst vor Reglementierung zu haben!“ Haltungen ersetzen zunehmend Argumente, das könne nicht hingenommen werden, unterstreicht er. Und Wolfgang Schaller verweist mahnend darauf, dass ihn das fassungslos mache, „auch aus den Erfahrungen aus der DDR“.
Man darf also durchaus gespannt sein, was die beiden in ihrem neuen Programmen zu sagen haben werden. Sobald wieder gespielt werden darf. Und die Vorfreude auf diesen Tag ist zu spüren: „Mehr noch als im Theater braucht es im Kabarett die Publikumsreaktionen, ohne ist es wirklich furchtbar …“ Wobei Wolfgang Schaller augenzwinkernd verrät, dass das Schreiben ihm den Psychiater erspare – in dieser Corona-Zwangspause …
„Seither schreibe ich fürs Kabarett“
Bleibt noch die Sache mit mit dem Neuen Deutschland: Schaller hatte damals als junger Deutschlehrer in Görlitz Gedichte geschrieben und – ohne sich als Lehrer zu erkennen zu geben – ans Zentralorgan geschickt. Das meldete sich dann: Lieber Pionier Wolfgang Schaller, bitte lass Dir doch mal von Deinem Deutschlehrer zeigen, wie man Gedichte schreibt. „Seither schreibe ich fürs Kabarett“, sagt Wolfgang Schaller lachend.
Die Podcastfolgen „Keulenspiegeleien“ findet ihr unter: www.soundcloud/keulenspiegeleien.
JENS FRITZSCHE
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