Die Annenfriedhöfe gehörten über Jahrhunderte zum Stadtbild Dresdens. Es begann im 16. Jahrhundert mit dem Kirchhof der Annenkirche in der Wilsdruffer Vorstadt. Der zweite befand sich in unmittelbarer Nähe des ersten, in etwa am heutigen Sternplatz. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geriet dieser an seine Kapazitätsgrenze, und der dritte, der heutige Alte Annenfriedhof an der Chemnitzer Straße, eröffnete. Auf dem Neuen, dem somit vierten Annenfriedhof in Löbtau fand 1875 die erste Beisetzung statt. Erweitert wurde er 1897 durch den Friedhof „Friede und Hoffnung“.
Der imposante Eingangsbereich mit der Parentationshalle und den Säulengängen für die Grüfte ging 1878 in Funktion. Die im italienischen Stil gebaute Anlage verlor leider bei den Angriffen 1945 das Mittelteil mit der markanten, über 20 Meter hohen Kuppel. Beim Aufsuchen der Grüfte im linken Flügel fällt ein Name besonders auf: Friedrich Siemens (1826–1904). Die Gruft ziert eine Marmorfigur von 1887, auch diese stammt von Johannes Schilling. Der Leiter der Siemens’schen Glaswerke, die er 1867 von seinem Bruder übernommen hatte, führte diese an die europäische Spitze und wurde zum größten Arbeitgeber in der Region.
Eine Leiche aus London
Dabei nutzte er das von ihm mitentwickelte Siemens-Martin-Verfahren. Seine neuen Technologien halfen nicht nur beim Optimieren der Glasproduktion, sondern waren gleichfalls Wegbereiter für die heutigen Krematorien. Nach vorangegangenen Versuchen mit Tierkadavern wurde 1874 weltweit erstmalig eine Tote in einem geschlossenen System eingeäschert.
Diese damals nicht unumstrittene Verbrennung fand in den Siemens-Werken an der heutigen Freiberger Straße statt. Das damalige Firmengelände gehörte zur Wilsdruffer Vorstadt, die späteren Erweiterungen der Firma lagen auf Löbtauer Flur. Die Leiche kam aus London. Eine gewisse Lady Dilke hatte verfügt, unbedingt verbrannt zu werden. Sie leitete mit diesem Wunsch und der pietätvollen Ausführung eine neue Epoche ein.
Bereits 1876 fand in Dresden der 1. Europäische Kongress der Freunde der Feuerbestattung statt, und 1878 ging in Gotha das erste deutsche Krematorium in Betrieb. Der Verbrennungsofen wurde nach dem siemensschen Prinzip gebaut.
Eine Gießerdynastie
Schräg gegenüber im rechten Säulengang, befindet sich die Gruft der Gießereifamilie Bierling. Christoph Albert Bierling (1824–1904) gründete die Firma, die unter anderem die Brunnen Stilles Wasser und Stürmische Wogen am Albertplatz und den Gänsediebbrunnen in der Weißen Gasse goss. Dazu kommen eine Vielzahl von Glocken, darunter auch die für die Löbtauer Friedenskirche.
Neben den beiden Unternehmern sind weiterhin die Gräber des 1914 tödlich verunglückten Flugpioniers Hermann Reichelt und des Komponisten Paul Büttner erwähnenswert. Reichelt, ein Multitalent, war Testflieger und Konstrukteur. Mit Melli Beese, der ersten deutschen Pilotin, geboren in Laubegast, und ihrem Partner gründete er in Berlin-Johannisthal eine Flugschule. Büttner, gestorben 1943, war Musikpädagoge und schuf mehrere Sinfonien, die zu seiner Zeit Beachtung fanden.
Im hinteren Teil des Friedhofs mahnt ein Massengrab mit Opfern der Luftangriffe von 1945. Dieses Thema greift auch das Mahndepot 53 auf. Die silberne Hülse befindet sich im Fußweg direkt am Haupteingang des Friedhofs rechts. Das Mahndepot verweist auf die Festlegung von 1944, das Gelände als Festungsfriedhof für die Aufnahme der bei der Verteidigung Dresdens zu erwartenden Toten zu nutzen. Eine zivile Nutzung war somit ausgeschlossen. Matthias Stresow
gekürzter Auszug aus „Dresden – auf Spurensuche mit Igeltour“,
editionSZ, 10,90 Euro, ISBN: 978-3-943444-24-7
Termine: am 29.5. und 17.7., jeweils 11 Uhr ab „Husch-Halle“ am Weißeritzufer gegenüber dem Einkaufzentrum an der Tharandter Straße 1/Ecke Kesselsdorfer Straße, Karten zu 8/6 Euro ohne Voranmeldung am Treffpunkt;
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