Über die ungleichen Lebensbedingungen in Deutschland wird immer noch viel diskutiert. 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung scheint es vor allem zwischen Ost und West nach wie vor ein großes Gefälle in Sachen Lebensqualität zu geben. Zumindest empfinden das viele Ostdeutsche so. Doch was sagen die Statistiken und wie gut steht es wirklich um die Lebensstandards in ostdeutschen Städten wie Dresden?
Es wurden in den letzten Jahren immer wieder umfassende Studien zur Lebensqualität in deutschen Großstädten durchgeführt. Dabei landeten meist westdeutsche Städte auf den vorderen Plätzen. So konnte in der großen Deutschland-Studie von 2018 beispielsweise die bayerische Landeshauptstadt München mit 207 Punkten den ersten Platz für sich verbuchen. Dicht gefolgt wurde München von der baden-württembergischen Großstadt Heidelberg, die mit 205 Punkten den zweiten Platz belegte. Insgesamt befanden sich auffallend viele Städte aus Bayern unter den Top 10 der Studie. Lediglich Potsdam schaffte es als einzige ostdeutsche Stadt unter die 10 Spitzenreiter und landete mit 203 Punkten im Gesamtranking immerhin auf Platz vier. Ein Indiz für ungleiche Lebensqualität in Ost und West?
Es liegt nicht immer am Wohnungs- und Arbeitsmarkt
Die Deutschland-Studie aus dem Jahr 2018 legte für ihre Beurteilung deutscher Städte drei Hauptkriterien fest:
● Arbeit & Wohnen
● Freizeit & Natur
● Gesundheit & Sicherheit
Es fällt auf, dass in puncto Arbeit & Wohnen oftmals kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Städten bestanden. Potsdam schnitt hier mit 63 Punkten in der Teilnote sogar besser ab als das höher im Ranking liegende Heidelberg, das nur 62 Punkte erreichte. Auch in Sachen Freizeit & Natur lag die ostdeutsche Stadt mit 79 Punkten deutlich vor Heidelberg mit 76 Punkten. Es ist also vor allem der Topic Gesundheit & Sicherheit, in dem Potsdam mit nur 61 Punkten nicht an Heidelbergs 67 Punkten vorbeiziehen konnte.
Die Nachteile im Gesundheits- und Sicherheitswesen scheinen sich wie ein roter Faden durch die Bewertung der ostdeutschen Städte zu ziehen. Jena kommt hier lediglich auf 65 Punkte, Dresden auf 64 Punkte und Chemnitz sogar nur auf 58. Addiert man dann noch eine eher durchschnittliche Arbeits- und Wohnqualität hinzu, wird es schwer für die urbanen Ballungsräume Ostdeutschlands, mit den Nachbarn aus dem Westen mitzuhalten.
Dresden punktet im Bereich „soziale Stadt“
Nun gibt es jedoch ein paar Bereiche, in denen Ost-Städte die Nase vorn haben. Das gilt zum Beispiel für Freizeit- und Naturangebote. Hier holen Städte wie Potsdam und Dresden bis zu 79 Punkte, während Spitzenreiter wie München gerade mal 70 Punkte erreichen. Insbesondere Dresdens Bürger und Bürgerinnen fühlen sich außerdem insgesamt sehr wohl mit den sozialen Angeboten ihrer Stadt. In einer Studie zur Lebensqualität in Dresden von 2019 belegte die Stadt darum unter 24 deutschen Städten den ersten Platz.
Äußerst positiv bewertet haben die Dresdnerinnen und Dresdner in besagter Studie unter anderem das reiche Angebot an Kulturstätten und öffentlichen Einrichtungen. Auch mit der guten Verkehrsanbindung durch den öffentlichen Nahverkehr waren 90 Prozent der Bürger sehr zufrieden.
Projekt: Soziale Stadtentwicklung
Die Studienergebnisse zeigen, dass Dresden viel Wert auf zukunftsweisende Stadtkonzepte durch soziale Stadtentwicklung legt. Und die ist für die Zukunft ein äußerst wichtiges Thema in ganz Deutschland. Vor allem altersgerechte Konzepte müssen her, denn schon heute ist laut Statistik jede fünfte Person in Deutschland älter als 66 und jede zweite Person älter als 45 Jahre. Mit Blick auf den demografischen Wandel wird sich der Anteil an Senioren in den kommenden Jahren auch weiter erhöhen. Das gilt gerade für Ostdeutschland. Aus verschiedenen Grünen.
Einerseits kam es nach der Wiedervereinigung zu einer vermehrten Abwanderung junger Ostdeutscher. Die Jugend suchte ihr Glück im freien Westen, wo es mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung gab. Unter den Abwanderern befanden sich zudem viele junge Frauen, was die Geburtenrate im Osten stark sinken ließ. In der ostdeutschen Heimat zurück blieben dagegen eher Männer und Bürger im mittleren oder höheren Alter. Die Bevölkerung Ostdeutschlands ist deshalb im Vergleich zu Westdeutschland deutlich schneller gealtert, wobei sich gerade jetzt viele der damals in der Heimat Verbliebenen auf den bevorstehenden Übergang ins Rentenalter vorbereiten.
Im Gegensatz zur Abwanderung ist die Einwanderungsrate im Osten bis heute eher gering. Das gilt nicht nur für Übersiedler aus dem Westen, sondern auch für Migranten. Man kann sich über die Gründe für die Scheu von Menschen mit Migrationshintergrund vor ostdeutschen Städten streiten. Fakt ist aber, dass sich die Zuwanderung aus dem Ausland in Ostdeutschland eher in Grenzen hält, während in Westdeutschland die Einwohnerzahl trotz niedriger Geburtenraten dank Zuwanderung vor allem junger Migranten weiter steigt.
Mit Blick auf die (ost-)deutschen Städte der Zukunft kommt es also vor allem darauf an, die urbanen Ballungsräume für junge Menschen – mit und ohne Migrationshintergrund – attraktiver zu machen. Dass der Osten soziale Stadtentwicklung kann und das mitunter sehr gut, ist dank entsprechenden Studien hinreichend bewiesen. An diesem Weg muss festgehalten werden, um die Lebensbedingungen in Ostdeutschland weiter zu verbessern.
Dresden als Vorreiter für moderne Arbeitsmodelle
Ein weiterer Punkt, der die Lebensbedingungen im Osten künftig stark beeinflussen wird, ist das moderne Arbeiten. Es muss gelingen, die Digitalisierung der Arbeitswelt langfristig als Chance für den ostdeutschen Arbeitsmarkt zu nutzen. Das gilt nicht nur für die Umstellung ostdeutscher Betriebe auf Home-Office. Insgesamt kommt es auf ein größeres Angebot attraktiver digitaler Jobs für junge Menschen an. Die entscheiden sich nämlich immer öfter für eine Ausbildung in digitalen Berufen und sind dementsprechend auf der Suche nach attraktiven Jobangeboten.
Wenn es gelingt, langfristig mehr Firmen und Unternehmen im digitalen Bereich anzusiedeln, könnte der Osten in Zukunft zu einem sehr beliebten Hotspot für junge Arbeitnehmer werden. In diesem Zusammenhang sollten auch Selbstständige und Freiberufler mit digitalem Portfolio in der Stadtentwicklung berücksichtigt werden. Dresden macht es vor und hat inzwischen mehrere Co-Working-Spaces in die Stadt integriert. Darunter versteht man Arbeitsflächen für digitale Unternehmen, die von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden können. Finanziell ein äußerst vorteilhaftes Arbeitsplatzmodell, das gerade für junge Start-ups ideal ist, um sich in der ostdeutschen Arbeitswelt zu etablieren. Die Co-Working-Spaces kommen
● im fortschrittlichen Design,
● mit guter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel
● und mit einer optimalen Büroausstattung für digitale Projekte.
Ergänzend dazu bieten Dresdens Hochschulen und Bildungszentren mittlerweile auch vermehrt Fortbildungskurse in den Bereichen IT- und E-Commerce an, mit denen junge Digitalritter ihr Portfolio um professionelle Referenzen erweitern können. Der Stadt ist damit viel an der Generation der digital versierten Fachkräfte gelegen und versucht, ihnen mit der Vermittlung von fundiertem Fachwissen bei der Verwirklichung ihrer Berufswünsche zu helfen.
Familienfreundliche Städte im Osten
Übrigens: Ostdeutsche Städte sind auch im Bereich Familienfreundlichkeit eine ernst zu nehmende Konkurrenz für den Westen. Schon 2014 belegten Städte wie Jena, Potsdam und Rostock die besten Plätze unter den Top Ten der familienfreundlichsten Städte Deutschlands. Jena landete hier gemeinsam mit Darmstadt auf Platz eins, Potsdam und Rostock holten immerhin den vierten und neunten Platz aus 69 kreisfreien Großstädten. Jena glänzte hierbei mit dem höchsten Kita-Angebot. Und auch Potsdam und Rostock konnten mit hervorragenden Angeboten zur Kinderbetreuung von Drei- bis Sechsjährigen überzeugen.
Rein statistisch sind ostdeutsche Städte für Familien also relativ attraktiv geworden. Das verdanken die Städte nicht zuletzt auch einem vielseitigen Angebot an Natur- und Freizeitangeboten für die ganze Familie. Gemeinsam mit guten Ausbildungs- und Studienplätzen für die nächste Generation könnte sich der Osten in den nächsten Jahrzehnten durchaus zu einem neuen urbanen Boom aufschwingen.
Voraussetzung ist aber, dass gezielt an den Aspekten gearbeitet wird, die bis jetzt noch das Ranking runterziehen. Das Gesundheitswesen und die Attraktivität ostdeutscher Städte für Zuwanderer aus dem Ausland spielen hier eine entscheidende Rolle und sollten öfter zur Priorität bei der Stadtentwicklung gemacht werden. Damit ließe sich nicht nur das ohnehin schon sehr lobenswerte soziale Profil ostdeutscher Städte weiter schärfen. Gleichzeitig könnten die Städte so auch zu Paradebeispielen einer zukunftsorientierten Gesellschaft werden, die es versteht, die unterschiedlichen Lebensanforderungen von Alt und Jung gleichermaßen in einem innovativen Stadtkonzept zu vereinen.
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