„Der Kapitalismus in seiner Gier ist keine Lösung!“

„Der Kapitalismus in seiner Gier ist keine Lösung!“
Konstantin Wecker gibt sich nicht erst seit diesen Tagen als Mahner mit Musiktalent. // Foto (PR): Thomas Karsten

Der Liedermacher Konstantin Wecker wird am 11. November mit seinem neuen Programm „Utopia“ in Dresden zu Gast sein.

Die Sehnsucht nach einer Welt, die eine bessere ist – eine sozialere, eine ohne Kriege und ohne Umweltzerstörungen – treibt ihn nun schon seit über 60 Jahren auf die Bühnen des Landes: Konstantin Wecker. Er ist Sänger, Schauspieler und vor allem eines: Utopist. Und er ist einer, der sich den Mund nicht verbieten lässt, wenn es um Faschismus geht – um den neuen Faschismus, der immer lauter aus dem braunen Sumpf kriecht, der längst als vermeintlich trockengelegt galt. Am 11. November kommt Wecker in den Dresdner Kulturpalast; mit neuem Programm zur neuen CD „Utopia“. Wir sprachen vorab mit dem Münchener:

Herr Wecker, Sie haben Ihr Programm „Utopia“ genannt, nach einem Buch von Thomas Morus, das bereits 1516 erschien. Was ist denn so reizvoll an einer über 500 Jahre alten Utopie, die bis heute unerreicht ist – der Utopie einer Gesellschaft der Gleichen unter Gleichen?

Diese herrschaftslose Gesellschaft, eine Welt ohne Unterdrückung, Ausbeutung und vor allem ohne Kriege, ist ein Thema, das mich ja von Anfang an begleitet hat. Und ich will es einfach nicht aufgeben, daran zu glauben, dass uns das eines Tages gelingen wird.

Sie singen in einem Ihrer neuen Lieder davon, dass man Sie gern als Spinner verspotten könne …

Ja, weil ich überzeugt davon bin, dass es möglich ist, eine solche freie Gesellschaft zu bauen. Nehmen wir nur die 1920er Jahre. Das war eine unglaublich freie Zeit; vor allem mit Blick auf die Kunst. Die Gedanken waren damals wirklich frei – und ganz besonders die Frauen konnten sich entfalten. Noch nie zuvor hatte es zum Beispiel so viele Komponistinnen gegeben. Das Kabarett entstand, die Meinung kam auf die Bühne.

Aber die Kunst ist – ketzerisch gesagt – ja nur ein funkelnder Teil der Gesellschaft. Wie gelingt es, auch den Rest mitzunehmen?

Schließlich standen am Ende der 1920er Jahre die Nationalsozialisten an der Spitze des Landes – und die Unfreiheit wurde zur Staatsdoktrin … Genau deshalb ist es doch umso wichtiger, dass sich die Kunst den Mund nicht verbieten lässt. Wenigstens in der Kunst müssen diese freien Gedanken, dieses Utopia, leben können. Dann besteht auch die Chance, dass diese Gedanken gehört, gedacht und in die gesamte Gesellschaft eingepflanzt werden. Wir haben keine andere Chance, wenn wir als Menschheit überleben wollen. Der Kapitalismus in seiner Gier kann jedenfalls keine Lösung sein.

Haben Sie deshalb auch so große Sympathien für die Jugendlichen von „fridays for future“?

Das sind junge Menschen, die sich nicht verbieten lassen, selbstständig zu denken. Die erkennen, dass wir so nicht weitermachen können. Und die zudem auch noch mutig genug sind, für ihre Ideale auf die Straße zu gehen. Es ist ein Teil dieses wunderbaren Utopias, eine Menschheit, die sich nicht aus rücksichtslosem Wachstumsdenken selbst abschafft. Ich finde es richtig und wichtig, dass sich die junge Generation Gedanken über die Zukunft macht; es ist ihr Leben!

Zurück zu den 1920er Jahren: Genau wie damals versuchen heute die neuen Nazis ,die Gesellschaft zu spalten; mit Gewalt und mit Worten. Und erschreckenderweise sind es sogar fast haargenau dieselben Worte, die sie benutzen …

Diese Entwicklung ist ja leider nicht wirklich neu. Nur sitzen die Faschisten nun sogar wieder im Reichstag. Und sie wurden gewählt. Schon Wilhelm Reich hat in seinem Buch „Die Massenpsychologie des Faschismus“ geschrieben: Faschisten leben von Mythen, von Realitäten werden sie entzaubert. Und was sind die heutigen Mythen? Es sind Fakenews. Wir dürfen also nicht müde werden, die Wahrheiten aufzuzeigen, um diese neuen Faschisten zu entzaubern. Und dazu gehört es eben auch, schmerzhafte Wahrheiten wie die Verstrickung von Teilen der Polizei und Justiz mit den Faschisten beim Namen zu nennen.

Das tun Sie auf Ihrer neuen CD ja beispielsweise in einer aktuellen Version Ihres bekannten Liedes „Willy“, das auch in Dresden zum Konzertprogramm gehören wird. Müssen sich die Besucher also auf einen düsteren Abend einstellen?

Auf einen Abend mit klaren Ansagen ja, auf einen düsteren Abend nein. Natürlich gehe auf die Bühne, um mit meiner Vision von „Utopia“ Mut zu machen. Und ich weiß, dass auch in Dresden viele weltoffene, aufrechte Menschen zu Hause sind. Ich bin immer sehr gern hier aufgetreten. Und ich weiß, dass Pegida nicht für Dresden steht! Ich freue mich wirklich sehr auf diesen Abend im Kulturpalast.

Sie zitieren in Ihren Konzerten zwischen den Liedern ja auch immer kluge Köpfe, kluge Gedichte. Wird in Dresden vielleicht auch der Dresdner Erich Kästner zu Wort kommen, der ja nach dem Krieg in Ihre Heimat München gezogen ist?

Im geplanten Programm ist Kästner aktuell nicht dabei. Aber es werden Ernst Bloch oder Friedrich Holländer zu Wort kommen. Unsere Cellistin Fany Kammerlander wird Holländers Lied „Raus mit den Männern aus dem Reichstag“ singen. Das wird beeindruckend. Und Holländer war ja ein enger Freund von Erich Kästner. Also eigentlich wäre das tatsächlich eine sehr gute Idee, Kästner in Dresden auf die Bühne zu holen. Seien Sie gespannt…

DAWO! verlost 2×2 Freikarten für Konstantin Wecker „Utopia“ am 11. November 2021 im Kulturpalast Dresden! Teilnahme bitte per Kommentar warum es sich lohnt zu gewinnen bis zum 08. November 2021. (Bitte beachten Sie vor Ihrer Teilnahme unsere Datenschutzhinweise, diese finden Sie hier.)

GESPRÄCH: JENS FRITZSCHE

36 Kommentare

  1. Konstantin Wecker ist nicht nur Liedermacher sondern ein Künstler mit Mut, Anspruch und einer idealisierten Zukunftsvision, die er in seinem Programm vermittelt. Da dies ein sehr seltenes aber wichtiges Moment einer guten Unterhaltung mit Denkanstoß ans Publikum ist würde ich mich sehr über Tickets für diesen Abend freuen.

  2. Die Reise nach „Utopia“ ist nicht nur vielversprechend sondern eine wichtige Vision,für den Weg zum Ziel einer besseren gerechteren Gesellschaft . Konstantin Wecker in seiner mutigen Auseinandersetzung mit der heutigen Zeit life erleben zu dürfen wäre fantastisch.

  3. Wir haben Konstantin Wecker immer aus der Ferne bewundert.Es wäre fantastisch, wenn wir ihn
    einmal live erleben könnten und wir mit unserer Rente nicht viel Kultur erleben können.
    Liebe Grüße von Hannelore und Peter Winkler

  4. Wir dachten doch bis zur Wende auch, dass es eine Alternative zu dieser profitorientierten Gesellschaft gibt. Danach war das Alles „falsch“.
    War es das?
    Wir sind neugierig auf die Meinung des Künstlers dazu!

  5. Für einen Abend mit Konstantin Wecker ist kein Weg zu weit – es lohnt sich auf jeden Fall, bei seinen mahnenden Texten genau hinzuhören. Sie sind zeitlos und gerade jetzt besonders aktuell und wichtig!

  6. Wir waren schon zu DDR-Zeiten Wecker-Fans und freuen uns neben den neuen Texten vor allem auf seinen „Willi“, würden ihn gern noch mal erleben!

  7. Immer noch beeindruckt von seinem letzten Konzert in Dresden, wäre es mir eine Freude ihm wieder lauschen zu können, ein großer Musiker und wortstark in jeglicher Hinsicht.

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