Berlin/Leipzig. Wie kann Theater die Gesellschaft zusammenhalten? Miteinander reden, statt übereinander – das könnte der rote Faden sein, den Ulrich Khuon, Chef des Deutschen Bühnenvereins, bei seinem Amtsantritt vorgegeben hat. Mit Vorurteilen behaftet, gelangen sogenannte Fakenews, also falsche Behauptungen, in die Welt. Umso wichtiger sei dann das Theater. Besonders die kleinen, auf dem Land oder in der Provinz.
Zusammengekommen waren die Theatermacher am vergangenen Wochenende in Leipzig, wo sich die Branche selbst gefeiert und sich mit dem Faust, dem Deutschen Theaterpreis, ausgezeichnet hat. Der Preis ist undotiert. Theater schlagen andere Theater vor, eine Jury, natürlich bestehend aus Leuten verschiedener Theater, entscheidet über die Vergabe.
Moderator Christian Friedel bezieht gleich am Anfang der Veranstaltung Haltung: „Theatermachen verhindert, dass wir uns ausschließlich als dieser oder jener definieren“, sagt er. Vielfalt bestimmt das Genre, soll das heißen, und ohne dass er es ausspricht, weiß jeder im Raum: Dumpfe Parolen wie von der AfD haben hier an diesem Abend nichts zu suchen.
Der Chef des Deutschen Bühnenvereins hat nicht nur gesprochen. Er hat auch agiert. Zum Beispiel in Augsburg. Dort hat er am Theater eine Bürgerversammlung moderiert. Unter der dünnen Decke der zivilen Diskussion seien viele Konflikte sichtbar geworden, berichtet er dem MDR.
Gespräche aber könnten nur der Anfang sein. In Theatern, an Schulen und natürlich seitens der Politik müssten diese Themen aufgegriffen und vorangebracht werden. Dass man sich zum Ende eines Diskurses immer einig ist, stehe dabei nicht im Vordergrund. Wichtig sei es, das Spannungsverhältnis aufzunehmen, ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben.
Theater als Träger dieses Diskurses habe man in der Politik aus den Augen verloren, findet Khuon. Das müsse sichwieder ändern. Er schlug vor, mit dem Ausbau von Jugendtheatern anzufangen.
Jugendlich sind die Akteure am Abend der Verleihung des Theaterpreises zwar nicht, aber einigen doch so unbekannt, dass der Eindruck entsteht, es gehe um die Verleihung eines Nachwuchspreises. Für ihr Lebenswerk wird Elfriede Jelinek ausgezeichnet, die zwar nicht selbst vor Ort ist, aber von Schauspieler Nikolaus Habjan mittels einer Jelinek-Handpuppe irgendwie doch hinein geholt wird.
Kommentar
Mehr Respekt für Jugendtheater
von Oliver Carstens
Das Argument von Ulrich Khuon ist richtig. Theater muss wieder zum Hort der politischen Inszenierungen werden. Theater darf unterhalten, doch soll es das nicht hauptsächlich tun. Besonders wichtig ist, möglichst früh auch Kinder und Jugendliche an das Theater und die Möglichkeiten, die sich dort bieten, heranzuführen – durch Spielgruppen, Jugendclubs und die Chance, eigene Produktionen auf die Bühne zu bringen. Die können und sollen sogar politisch sein, selbst für jugendliche Darsteller. Die Intendantinnen und Intendanten sollten aber nicht nur reden, sondern den Jugendlichen und den beteiligten Theaterpädagogen auch entsprechenden Respekt zollen, Zeit und Raum geben, damit sich diese Produktionen auch zeigen können und gesehen werden. Am besten auch von der Intendanz selbst.
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