Ratgeber: Die Kälteanpassung ist wenig dramatisch

Am schnellsten frieren Körperteile, die weit weg sind vom Körperinneren. Deshalb sollte man Ohren und Hals gut schützen.
Am schnellsten frieren Körperteile, die weit weg sind vom Körperinneren. Deshalb sollte man Ohren und Hals gut schützen. (Foto: Archiv)

Von Schrumpfköpfen, Gänsehaut und Zähneklappern

Waldspitzmäuse haben eine skurrile Taktik entwickelt, die kalte Jahreszeit zu überstehen. Im Herbst schrumpfen ihre Köpfe um bis zu 20 Prozent – mitsamt Schädelknochen und Gehirn, wie deutsche Forscher jüngst herausgefunden haben. Mit dieser Radikalkur sparen die Tiere Energie. Auch der Mensch zeigt biologische Kälteanpassungen. Sie sind glücklicherweise weniger dramatisch.
Die kalte Winterluft enthält nur wenig Feuchtigkeit – weshalb sie diese der Haut entzieht. Verstärkt wird dies durch die trockene Heizungsluft: Kommt man aus der Kälte in einen warmen Raum, werden die Blutgefäße reflektorisch übermäßig weit geöffnet. Es entstehen die rote Nase, glühende Wangen sowie heiße Hände und Füße. Die starke Durchblutung erhöht wiederum den Feuchtigkeitsverlust – direkt spürbar an der triefenden Nasenschleimhaut.

Ein Relikt von früher

Wildvögel plustern bei großer Kälte ihr Gefieder auf. Durch das Aufrichten der Federn bildet sich zwischen den aufgerichteten Federn und der Haut ein Luftpolster, das die Körperwärme besser hält. Auch Säugetiere nutzen diesen Effekt indem sie sich im wahrsten Sinne des Wortes aufbauschen.
Der Mensch besitzt nur eine sehr spärliche Körperbehaarung, die kaum für ein wirkungsvolles Luftpolster taugt. Die winzigen Härchen werden dennoch bei Kälte aufgestellt. Einige Forscher sind der Meinung, dass diese Gänsehaut noch auf jene fernen Vorzeiten zurückgeht, als wir noch ein Fell trugen.

Zittern und Zähneklappern

Ebenfalls nicht besonders effektiv ist das Kältezittern, das sich auch im Zähneklappern zeigt. Menschen zittern mit einer Frequenz von etwa zehn Hertz, Mäuse bringen es auf 40 Hertz. Wie bei der normalen Muskelarbeit entsteht auch beim Zittern Wärme. Da die Muskulatur mehr durchblutet werden muss, um arbeiten zu können, geht bei Zittern viel Wärme über die Haut ab.

Braunes Fettgewebe

Eine höhere Effizienz hat die Aktivität des braunen Fettgewebes, das überschüssige Energiereserven in Wärme umwandeln kann. Dies geschieht durch die Oxidation von Fettsäuren in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Sie sind für die bräunliche Färbung des Spezialgewebes verantwortlich.
Neugeborene Säugetiere (auch Säuglinge) besitzen es, mit dem Erwachsenwerden wird es weniger. Nagetiere und winterschlafhaltende Tiere haben auch im Erwachsenenalter noch größere Mengen an braunem Fettgewebe. Erst vor wenigen Jahren wurde es beim ausgewachsenen Menschen entdeckt, allerdings nur in kläglichen Resten, die umso geringer sind, je weniger Kältereizen wir ausgesetzt sind. Schade, denn diese geniale innere Heizung könnte auch beim Abnehmen helfen, da sie Energie in Form von Fett verbraucht.

Im Energiesparmodus

Zurück zur Waldspitzmaus. Auch sie nutzt die Aktivität braunen Fettgewebes zur Wärmeproduktion. Da die Tiere sehr klein sind und einen extrem hohen Energiebedarf haben, brauchen sie weitere Strategien gegen die Kälte und den Nahrungsmangel im Winter. Mit sinkenden Temperaturen verringern Waldspitzmäuse daher das Gewicht verschiedener Organe, um den Energiebedarf zu senken. Erstaunlicherweise schrumpfen dabei auch Schädel und Hirnmasse deutlich. „Indem die Tiere die Größe ihres Schädels – und damit ihres Gehirns – verringern, könnten sie überproportional viel Energie einsparen, da das Gehirn sehr viel Energie verbraucht“, sagt Javier Lázaro vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. Im Frühjahr beginnt die Hirnschale dann erneut zu wachsen und erreicht im Sommer fast wieder Vorjahresgröße. (ekg/dgk)

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