Es hat lange gedauert, bis die Medizin die Wichtigkeit der „Sprachheilkunde“ erkannt hat. Dabei kann Logopädie viel mehr, als „nur“ Sprachprobleme zu beheben.
Stotterer hatten es noch nie leicht. Ausgelacht und an den Rand gedrängt. Das tut weh. 1887 dann ein erster Hoffnungsschimmer: In Potsdam wurden die ersten Kurse für „Sprachheilkunde“ angeboten. 115 Teilnehmer setzten sich fünf Jahre lang regelmäßig zusammen, um zu lernen, was – zum Beispiel – gegens Stottern getan werden kann. Gut fünf Jahre später öffnete in Berlin eine „Ambulanz für Sprachheiler“ – die erste logopädische Einrichtung in Deutschland überhaupt. Vorrangig für Kinder. Gut ein Vierteljahr lang mussten die Eltern sie zu zweistündigen Kursen vorbeibringen; was nicht zuletzt auch eine Kostenfrage war. Deshalb ist es tatsächlich ein Quantensprung für die Betroffenen, dass mit dem „Rehabilitationsangleichungsgesetz“ dann erstmals die Krankenkassen die Kosten auch für logopädische Angebote übernahmen. Ein Blick auf die Jahreszahl zeigt allerdings, wie lange es dauerte, um die Wichtigkeit zu erkennen: Das Gesetz wurde 1974 erlassen …
Erst seit 1980 ist Logopäde ein „richtiger“ Beruf. Mittlerweile gibt es Studienangebote, weil zunehmend deutlicher wurde, wie notwendig logopädische Unterstützung in verschiedenen Therapien ist. Schluckprobleme bei Schlaganfallpatienten können tödlich enden; hier haben Logopäden längst eine tragende Rolle. Und in Sachsen wird seit vergangenem Herbst endlich auch die Berufsausbildung finanziell unterstützt, wenn sie Jugendliche in therapeutischen Berufen – wie der Logopädie–auch an freien Berufsschulen aufnehmen. Die Kapazitäten an staatlichen Schulen reichen bekanntlich seit Jahren nicht aus, an den freien Schulen ist hingegen Schulgeld fällig. Das wird nun übernommen.
Und der Bedarf an gut ausgebildeten Logopäden nimmt stetig zu. Ein Blick in die Statistiken ist dafür gar nicht nötig. Es genügt ein aufmerksames Umschauen, um zu sehen, dass sich in den vergangenen Jahren beim Thema Logopädie eine Menge getan hat: Überall sind neue Logopädie-Praxen entstanden. Ein Zeichen dafür, dass es immer mehr Probleme mit dem Sprechen gibt? Gerade bei Kindern ist das nicht von der Hand zu weisen. Hier wiederum ist ein Blick in die Statistik durchaus hilfreich: Allein in Sachsen hat rund ein Drittel der Schulanfänger sprachliche Defizite. Allerdings – und auch das hat sich vor allem in den vergangenen gut zwei Jahrzehnten stark gewandelt – gehören mehr und mehr Erwachsene zu den Logopädie-Patienten.
Wie schon erwähnt, ist logopädische Unterstützung beispielsweise bei Schlaganfallpatienten zunehmend wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Behandlung. Gerade auf diesem Gebiet hat sich sehr viel bewegt. Und überhaupt gehören Logopäden immer stärker zu den medizinischen Teams, die sich gemeinsam um Diagnostik und Therapie kümmern. Der Stellenwert der Logopädie hat in den letzten Jahren stark gewonnen – und das eben auch längst weit über Sprachprobleme hinaus.
JENS FRITZSCHE
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