Maffay kommt drei Mal und Banksy geht eher – das Kulturjahr 2021

Maffay kommt drei Mal und Banksy geht eher – das Kulturjahr 2021
Auch die spektakuläre Banksy-Schau in der Zeitenströmung musste wegen Corona schließen. // Foto: Jens Fritzsche

Auch im zweiten Corona-Jahr hatte es Dresdens Kultur schwer. Aber sie nimmt viel Mut mit nach 2022!

Kabarettisten würden rückblickend auf das Kulturjahr 2021 in Dresden vielleicht mit reichlich Sarkasmus anmerken: Spielpläne waren diesmal ein bisschen wie Fahrpläne der Deutschen Bahn, man konnte sich selten darauf verlassen …

Die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie ließen in Theatern, Kinos und auf Konzertbühnen nicht alles zu, trotz ausgefeilter und nicht wirklich preiswerter Hygienekonzepte, trotz minimierter Zuschauerkapazitäten und trotz 3G- oder später 2G-Regelungen fürs Publikum. Und so könnte man in Anlehnung an einen Filmtitel aus den 1950er Jahren sagen „Sie tanzten nur während des Sommers …“ In der Jungen Garde beispielsweise, wo Rocklegende Peter Maffay sein eigentlich schon ein Jahr zuvor im RudolfHarbig-Stadion geplantes Konzert nachholte – und das an drei Abenden. Allerdings für ein Rockkonzert sehr ungewöhnlich: Die Fans durften nicht an die Bühnenkante stürmen und wurden außerdem gebeten, möglichst auf ihren festgelegten Sitzplätzen zu bleiben … Dafür aber genehmigte die Landeshauptstadt ausnahmsweise für die drei Konzerte mal einen späteren Schluss. Statt wie sonst in der beliebten Freilichtbühne im Großen Garten üblich bis 22 Uhr, durften die Gitarren diesmal sogar eine halbe Stunde länger dröhnen. Zur Freude der Fans und der Musiker, für die Dresden eine der ersten Stationen der Tour waren – und seit langem mal wieder vor Publikum. „Das tut so gut“, machte Peter Maffay dann auch deutlich.

Zahlreiche geplatzte Konzert-Träume

Aber auch in der Garde fielen danach etliche Konzerttermine flach – wegen der steilen Kurve der Infektionszahlen; und der geringen Impfquote. So werden nun die Rocklegenden mit Silly, Maschine und City erst im kommenden Mai zu erleben sein, Patti Smith versucht es nach nun schon zwei geplatzten Terminen im kommenden Juni noch einmal und auch James Blunt, Bosse und Jethro Tull hoffen auf ihre Konzerte in der Garde …

Neue Kulturorte – und ein Hauch von Liverpool

Und doch brachte die Pandemie auch zahlreiche spannende neue Kulturorte in Dresden ins Spiel. Neu war beispielsweise der Augusto-Garten am Haus der Presse mit einer Mischung aus Konzert, Theater, Lesung und Film – und wie schon ein Jahr zuvor lockten im Frühsommer die Picknick-Konzerte in die Flutrinne. Auf mitgebrachten Picknick-Decken konnten die Besucher hier im notwendigen 1,50 Meter-Abstand voneinander dem Geschehen auf der Bühne lauschen. Mitte Juni gab‘s dabei auch ein ganz besonderes Erlebnis: Campino, Sänger der „Toten Hosen“, saß so ganz und gar nicht Punk gerecht an einem Tisch und las aus seinem Buch „Hope Street. Wie ich einmal englischer Meister wurde“. Er erzählte davon, dass er Fan des seiner Meinung nach besten Fußballvereins der Welt – dem FC Liverpool – ist; und was seine englische Mutter ihm mit auf den Lebensweg gegeben hat. Und natürlich wurde an diesem lauen Juni-Abend in der „Rinne“ auch gesungen. Ein besonderer Abend mit einem besonderen Feeling.

Der Weltstar in der Zeitenströmung

Für großes Aufsehen sorgte im kulturell eher dürftigen Jahr 2021 derweil nicht zuletzt die Ausstellung „The Mystery of Banksy“ in der Zeitenströmung. Eine spektakuläre Schau, die Dresden – überspitzt gesagt – im Prinzip Corona verdankte. Denn der bekannte deutsche Konzertveranstalter Burghard Zahlmann, der schon Weltstars wie AC/DC oder Eric Clapton auf die hiesigen Bühnen holte, stand wegen der Pandemie vor der Frage: Wie soll es weitergehen? In seinem langjährigen Freund und Musicalproduzenten Oliver Forster fand er einen Partner, der dann gemeinsam mit ihm etwas bisher nie Gewagtes anging: Den aktuell bekanntesten Streetart-Künstler der Welt, Banksy, in einer Ausstellung zu porträtieren. „Und es sollte mehr sein, als nur einfach ein paar Fotos von seinen Werken an die Wände zu hängen“, machte Oliver Forster zum Start der Schau in den spannenden Charme versprühenden alten Industriehallen der Zeitenströmung an der Königsbrücker Straße klar. Der Plan ging auf: Rund 200.000 Besucher hatten die Schau bereits in Berlin, München und Heidelberg gesehen; in Dresden rechneten die Organisatoren mit rund 50.000 Besuchern. Ein Ziel, das die Schau letztlich aber nicht annähernd erreichte. Nicht erreichen konnte. Denn sie musste wegen der in Sachsen verhängten Corona-Einschränkungen wesentlich früher schließen, als geplant. Eigentlich sollte die Schau ja noch bis zum 9. Januar zu erleben sein…Eine Verlängerung war nicht möglich, da die Ausstellung bereits ab Ende Januar in Erfurt öffnen soll. Und weil dann – ab 28. Januar – der Zeitenströmung mit „Van Gogh – The Immersive Experience“ eine neue Blockbuster-Ausstellung zu sehen sein wird.

Podcast statt Jubiläumsparty

Große Sprünge konnte in diesem nun schon zweiten Corona-Jahr natürlich auch die Kleinkunst nicht machen. Selbst die „Flucht“ ins Freie half da mitunter nicht. Denn das Publikum blieb oft – viel zu oft – zu Hause. Dresdens Kabarett Herkuleskeule zog beispielsweise regelmäßig sonntags ins Parktheater im Großen Garten. Aber die ohnehin nur wenigen Ränge blieben auch hier – in frischer und damit quasi coronafreier Luft – nur spärlich gefüllt. Auch das eigentlich anstehende 60. Jubiläum ihres Kabaretts konnten die Akteure um den seit Januar 2020 neuen Chef Philipp Schaller nicht feiern. Schallers Start in der Keule ist dabei alles andere als vergnügungssteuerpflichtig, denn er übernahm das Amt seines Vaters Wolfgang Schaller quasi zeitgleich mit dem Start der Pandemie. Improvisieren haben er und die Kabarettisten dabei in diesen beiden Corona-Jahren längst gelernt; und so fassten sich die Keule-Macher nicht nur ein Herz, sondern auch ein Mikrofon und legten Mitte des Jahres eine vierteilige Podcast-Reihe vor, um den 60. Keulen-Geburtstag zumindest „zu besprechen“. Die große Jubiläumsparty zum 60. +1 soll nun am 1. Mai 2022 nachgeholt werden: Mit neuem Programm und kabarettistischem Großaufgebot, verspricht Philipp Schaller. Gefeiert wird allerdings nicht im angestammten Kabarettkeller des Kulturpalastes, sondern auf der großen Bühne im Schauspielhaus am Postplatz. „Zum Jubiläum keine Rückschau, sondern satirische Notwehr gegen eine Zeit, in der Dialog mit Hetze ersetzt, Geschwurbel mit Widerstand verwechselt und Cancelculture zum guten Ton erhoben wird“, beschreibt Philipp Schaller, der auch als Autor hinter dem Stück stehen wird …

Mutige Ideen – und nur halb volle Säle

Auf den Weg zu einem spannenden Neustart hat sich bekanntlich auch das einstige Kabarett „Breschke & Schuch“ am Wettiner Platz gemacht; und firmiert nun schon seit einiger Zeit als „FriedrichstaTTpalast“. Mit mehr Musik im Programm, aber nicht minder witzig. Und so war hier–solange die Türen offenbleiben durften – unter anderem eine ungewöhnliche, augenzwinkernde und so ganz und gar nicht verklärte Sicht auf die Musik des Ostens zu erleben. „Bock auf Ostrock“, ist der Abend überschrieben, der durchaus verdient hat, endlich auch vor richtig vollem Haus gespielt zu werden. Eines der vielen neuen Programme, die es hoffentlich schaffen werden, das Haus am Rande der Friedrichstadt und gleichzeitig auch am Rande der Altstadt ein bisschen mehr in den kulturellen Mittelpunkt zu rücken. Denn das hat die Neuausrichtung in jedem Fall verdient, die Thomas Schuch gemeinsam mit seinem neuen „Chef-Partner“, dem Musiker Michael Winkler auf den Weg gebracht hat. Es war also ein schwieriges Jahr für die Kultur und die Kunst in Dresden. Aber auch eines, das Mut macht. Denn Ideen hat sie, die Dresdner Kulturszene. Und Mut! Und hoffentlich bald auch wieder ein Publikum, das in Scharen strömt!

JENS FRITZSCHE

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